@Froschmonster: Meiner Ansicht nach hast Du Dir eindeutig zu wenig Gedanken über die Gesamtkomposition gemacht. Lieg wohl daran, daß zu zu sehr die individuellen Figuren mit ihren Details, Skills, Attributen im Kopf hattest und zu wenig eine bestimmte Situation, die gezeigt werden soll. Deswegen versuchst Du hier, alle Figuren gewissermaßen gleichwertig zu zeigen und zwar so, daß möglichst keine ihrer scheinbar so wichtigen Outfitdetails verdeckt werden.
Dann hast Du Dir gedacht: Naja, die sollen jetzt nicht alle in einer Reihe nebeneinander stehen, sondern schon irgendwie im Raum, in einer Szene und Umwelt... Und so hast Du sie gemeinsam in das Bild gepackt und es sieht so aus, als hättest Du sie so hin- und hergeschoben, bis alle irgendwie drauf sind, sich nicht zu sehr überschneiden und irgendwie in eine Richtung schauen.
Witzigerweise hat Schlumme das Abendmahlbild von da Vinci erwähnt - und ich vermute fast, das hatte einen Grund, den er nicht erwähnt: nämlich das da diverse Figuren ziemlich gleichwertig dargestellt werden und dennoch in einer gemeinsamen Szene.
Wie hat da Vinci dieses Problem kompositorisch gelöst? Mit einem Querformat:
Die "Action" spielt sich in seinem Bild sogar nur ungefähr im mittleren Drittel des Formats ab, die Füße der Jünger und auch die Architektur oben wäre für die Story gar nicht weiter wichtig. Die Figuren in dem Bild sind alle nebeneinander aufgereiht - daß sie einander überschneiden, setzt sie in Beziehung, geschickt hat da Vinci das aber so gelöst, daß alle Gesichter und die "sprechenden Hände" zu sehen sind. Verbindendes kompositorisches Element ist das weiße Tischtuch und die zentral fluchtende Architektur im Hintergrund, deren Fluchtlinien alle in Richtung der Jesusfigur in der Mitte weisen - so wird der Blick also durch den Hintergrund extrem auf die wichtigste Figur gelenkt, ohne daß diese jetzt größer als die anderen Figuren dargestellt werden müßte.
Solche kompoisitorischen Ideen sind wichtig, gerade bei Gruppendarstellungen ist die "Choreographie"das A und O.
Ich hab mal Deinen Bildinhalt genommen und dazu eine eigene SW-Skizze gemacht:
Ohne groß auf die Details der Figuren einzugehen, habe ich überlegt, wie man diese 7 Charaktere (auf den fliegenden Falken hab ich verzichtet, den könnte man aber bei Bedarf irgendwo klein in den Hintergrund integrieren) anordnen könnte. Von da Vinci habe ich die Idee des Querformats und des Line-ups übernommen: Eigentlich stehen die Figuren in einer (bei mir etwas geschwungenen) Reihe. Mit Ausnahme des Greifen - der hat bei mir eine wichtige kompositorische Funktion übernommen. Wie bei da Vinci das Tischtuch, so verbinden bei mir die Flügel des Greifen die Gruppe miteinander. Ich hab den Greifen auf einer eigenen Ebene gehabt , dann die anderen Figuren gezeichnet und hernach die Flügel des Greifen so lange verändert, bis mir die Überschneidungen halbwegs gefielen. Genauso wie bei Drachenbildern kann man bei Bildern mit großen Vögeln deren Flügel als ziemlich "willfährige" Kompositionselemente verwenden - denn je nach Bewegung und Perspektive ändern sich die Flügel-Shapes ja extrem.
Während bei da Vinci die "Aufmerksamkeitslinien" durch die Hintergrundarchitektur gebildet werden und alls auf Jesus verweisen, habe ich diese Aufmerksamkeitslinien so arrangiert, daß sie auf das Element verweisen, welches außerhalb des Bildraumes, aber nicht außerhalb des Bedeutungsraumes liegt: nämlich den Gegner oder zumindest das Objekt, welches die Aufmerksamkeit der Gruppe beansprucht. Die Baumstämme rechts sowie die Felswandstruktur fluchten nach oben - dorthin, wohin auch die Blicke der Gruppe gelenkt werden, wohin der Bogenschütze zielt, wohin der eine Char zeigt- dorthin, wohin die Kamera ziehen würde, wenn's ein Film wäre. Man könnte das noch extremer machen, Zeigefinger und Pfeil weisen noch nicht exakt auf denselben Punkt, auch die perspektivische Orientierung der Bäume und Felsen sind nicht hundertprozentig genau - aber es reicht schon für eine Ideenskizze.
Dieser Aspekt, daß in Deinem Bild die Figuren irgendwie links raus gucken, hatte mich überhaupt dazu gebracht, einen Gegenentwurf zu zeichnen - denn dieser Aspekt ist bei Dir besonders unglücklich gelöst: eben, daß alle Figuren rausgucken aus dem Bild.
Das tun sie bei mir zwar auch - aber der Gegenstand ihres Interesses liegt eben nicht links oder rechts, sondern in der Mitte: das Bild ist gewissermaßen zentriert, obwohl seine storymäßige Pointe außerhalb liegt. Diese Zentrierung habe ich freilich durch die Schwünge im Hintergrund und bei den Felsen im Vordergrund zu unterstreichen versucht - so ein bißchen hatte ich eine Mandel- oder Augenform als kompositorische Idee im Hinterkopf; und entsprechend wurden dann die Flügel-Shapes des Greifen und die Landschafts-Shapes eingesetzt.
Gerade des "Denken in Shapes" ist für solche mehrfigurigen Kompositionen wichtig - und meistens ist es da sogar hinderlich, wenn einem bestimmte Details zu früh zu gut gelingen - weil man dann weniger schnell bereit ist, sie zu "opfern" für die Gesamtwirkung des Bildes.
Ein Beispiel dafür wäre Dein Himmel. Für den wurdest Du gelobt und dieses Lob könnte für Dein Bild eher hinderlich werden - denn Du könntest versucht sein, möglichst viel von diesem schönen Himmel zu retten, wenn Du an eine kompositorische Umstellung gehst. Aber der Himmel ist nun mal inhaltlich komplett unwichtig - er ist lediglich gestalterisches Element, das man bei so einem Bild auch nur als wehrloses Requisit betrachten sollte: Egal, wie schön die Wolken sind - wenn sie die Figurenkomposition nicht unterstützen, haben sie keinerlei Wert. Selbiges gilt für den Rest der Landschaft: die hat zu dienen, klaglos und ohne freien Willen...
Bei Deinem Bild helfen die Aufmerksamkeitslinien, die durch den Hintergrund gebildet werden, überhaupt nicht, im Gegenteil - sie sorgen dafür, daß die Komposition nach links unten aus dem Bild herauszurutschen scheint. Tr4ze's OP war, so scheint mir, schon dadurch motiviert gewesen, aber es geht bei weitem noch nicht genug, weil er zuviel Respekt vor Deiner Originalidee hatte.