Ich habe kürzlich eine Talkrunde vom Kölner Treff auf WDR gesehen, zu der auch Gunter von Hagens geladen war. Dort hat er sich vielen Themen gestellt, leider wurde nicht explizit zu den Vorwürfen bezüglich China gefragt.
Der Hut ist ein Anatomhut und hat nichts mit Beuys zu tun (wie hier im Forum bereits beschrieben).
Es gibt eine Liste mit mehr als 3.500 Körperspendern, etliche davon aus Deutschland/Europa. Er wäre daher also nicht angewiesen auf "billige Leichen" aus China. Ob er jedoch vielleicht "besondere Exponate" erworben hat, entzieht sich meiner Kenntniss. Ich möchte da auch nicht spekulieren, weil ich trotz Suchen keine genauen Vorwürfe gefunden habe.
Ich werde - ohne von Hagens schützen zu wollen - den Eindruck nicht los, dass viele Menschen glauben, es werden massenhaft Leichen aus China importiert.
Ein Körperspender kann sich bereits vor der Plastination Exponate anschaun, bspw. präparierte Beine von Krebsamputationen, also bevor überhaupt ein Mensch (ohne Wissen was Plastination eigentlich ist) präpariert wird.
Jeder Körperspender erhält eine 60-seitige Broschüre mit Aufklärungsmaterial, dazu im Vorfeld bereits einen Fragebogen mit mehr als 50 Fragen.
U.a. auch die Frage, warum man sich plastinieren möchte. Eine der Antwortmöglichkeiten "Ich möchte die Bestattungskosten sparen".
Von Hagens hat bereits auch enge Freunde plastiniert und ausgestellt, einen Arzt-Freund bspw. der den Menschen zu Lebzeiten geholfen hat und nach seinem Tod gerne weiter Wissen verbreiten und helfen wollte.
Von Hagens' Frau wird ihn bzw. er seine Frau plastinieren, je nachdem wer zuerst verstirbt.
Er weigert sich Menschen in unnatürlichen Aktionen zu zeigen oder so zu verfremden, dass aus einer Person z.b. Möbel werden und betonte mehrfach, dass er mit der Ausstellung ganz klar Lehre betreiben möchte.
Darüber hinaus ist es für einen normalen Menschen nicht möglich, an einer Anatomie-Präparation oder Obduktion teilzunehmen und genau das war seine Motivation, die Plastination zu betreiben.
Was ich persönlich interessant fand, ist dass die Ausstellung sich die Jahre über komplett gewandelt hat:
Aus Angst, er würde vorgeworfen bekommen, den "männlichen Voyeurismus" zu unterstützen, enthielten die ersten Ausstellungen KEINE Frau, bis auf die Schwangere mit Kind. Erst als Alice Schwarzer (Frauenrechtlerin) zu ihm kam und meinte, "Keine Brüste, keine Klitoris, das geht so nicht!" passte er Körperwelten an.
Mittlerweile sind Gerüchte aufgekommen, dass eventuell ein Paar gezeigt wird, das gerade im Geschlechtsakt ist.
Doch er hielt sich dazu bedeckt und meinte "Bitte abwarten", denn es gäbe noch Probleme wie er müsste ja entscheiden, wer mit wem für den Rest der Zeit Sex miteinander hat - nachher mögen die sich ja garnicht.
Was mir weiterhin aufgefallen ist, dass viele Menschen noch etliche Vorurteile haben und das explizit in der Sendung geäussert haben, indem sie von Hagens harsche Kommentare zuwarfen. Vor allem kamen die Kommentare von Menschen, die die Ausstellung nicht gesehen haben und nicht sehen wollen (u.a. Frank Lehman, der "DAX-Mann"), weil sie religiöse Bedenken haben.
Als mein eigenes Fazit kann ich nur sagen, ich habe die Ausstellung nicht gesehen. Nach vielem Denken bereue ich es mittlerweile sehr, weil "Körperwelten" vorerst weitergezogen ist.
Ich hatte/habe tatsächlich Angst, wie ich reagieren würde, nicht aus Ekel oder Schock, sondern weil mich die Schicksale berühren würden, dass ein Mensch gestorben ist und wie ich darauf reagieren würde.
Ich habe anatomische Bilder und Videos gesehen und bin sehr fasziniert vom menschlichen Körper.
Für viele andere denke ich, dass einfach das Thema "Tod und Angst" im Vordergrund stehen. Man
muss sich damit auseinandersetzen.
Als Atheist ist es für mich eine zwiespältige Angelegenheit, weil ich vielleicht das Vorurteil pflege, dass viele religiöse Menschen die Angst vor dem Tod treibt.
Darum finde ich eine allgemeine Diskussion über uns und unseren Umgang mit dem Tod wichtig und nötig, denn ich bin aktiver Internet-Nutzer und stosse leider oft genug auf grausame Bilder, die einfach unter aller Sau sind (die Bilder der Gefangenenmisshandlung aus Abu Ghraib kennt ja jeder, sie waren auch zur Mittagszeit "zeigbar". Im Gegensatz dazu viele Bilder wie ein getöteter Iraker mit zerfetzter Brust daliegt, über den von Amerikanern "own3d!!" geschrieben wurde).
Ob die Ausstellung unsere Moral spiegelt und uns damit vorhält, oder sie sogar ändert, weiss ich nicht.
Meine Großmutter ist zuhause gestorben als ich noch recht klein war. Sie lag in einem Zimmer, aufgebahrt in ihrem Bett und unter ihrem Kinn einen Riemen, damit ihr Kinn geschlossen bleibt. Meine Eltern haben mir erlaubt, ihre Hand zu halten.
Sie war kalt und wie aus Wachs. Aber Angst hatte ich nicht.
Ebenso als ich die Hand meines toten Großvaters einige Jahre später hielt...
Ich habe inzwischen einige tote Menschen gesehen und habe noch immer nicht vergessen, dass der Tod nicht gut oder schlecht, sondern Teil des Lebens ist.
Lediglich dass der Tod manchmal sinnlos ist, dem stimme ich zu.
Es ist schwer bei diesem Thema ohne eigene Gefühle zu diskutieren, aber ich denke, dass ist es, was wir tun sollten: Darüber reden, denn wir sind erwachsene Menschen mit Verstand und Vernunft.
HAVE PHUN!