Was ist Kunst?

nitropenta
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Beitrag von nitropenta » 26. Mai 2008, 12:48

@Alandur: Ich sehe das so wie du: Alles ist Kunst - Nichts ist Kunst. Allerdings sollte man dabei nicht vergessen, dass dieser Satz von den Dadaisten geprägt wurde und somit auch nur eine Facette, eine einzelne Ansicht ist. Dennoch bin ich der Meinung, dass mit der greifbaren Fassung eines Kunstbegriffs immer auch eine Wertung verbunden ist. Ich persönlich akzeptiere alles als Kunst, was als solche bezeichnet wird. Das schließt auch Bleistifte, die auf Tische gelegt werden, mit ein. Auch wenn ich persönlich Malewitschs Werke nicht für mehr als ihren dekorativen Nutzen mag, so sehe ich sie doch als Kunst. Ganz entkoppelt davon, was mir gefällt, was anständig ist oder was die Meinung der Gesellschaft ist.
Ich sehe auch ein Problem darin, feste Grenzen zu ziehen, was noch Kunst ist und was nicht mehr. Das ist ähnlich der Grenzziehung Mensch/Tier, da auch der Mensch ein Tier ist. Sollte nun zufällig ein Vorfahre des Menschen entdeckt werden, irgendwo in Afrika, würde man ihm dann Menschenrechte zugestehen? Daher habe ich die etwas resignierende Einstellung angenommen, dass es nicht möglich ist, eine scharfe Grente zu ziehen und einfach alles als Kunst zu akzeptieren, was als solche bezeichnet wird.

Eine Einschränkung ziehe ich jedoch für mich persönlich. Denn Kunst muss einen Urheber haben, und wenn die Urhebung nur aus dem Bewegen eines Gegenstandes besteht. Einer zufälligen Gruppierung von Ästen am Waldboden würde ich keinen künstlerischen Aspekt zuschreiben. Kommt nun aber jemand vorbei, ordnet sie an, wirft sie durcheinander, malt sie an, oder was auch immer, so ist dies durchaus Kunst.

Nun kommt ein Problem in meiner Ansicht, dessen ich mir bewusst bin. Denn ich muss den Kunstbegriff einschränken: Kunst ist alles, das einer Intention folgend geschaffen wurde.
Die Intention, etwas zu erschaffen, ist der Kunst inhärent, so meine ich. Der Zufall alleine schafft keine Kunst, egal wie ästhetisch seine Produkte wirken mögen. Erst durch den Willen eines Künstlers etwas zu schaffen wird Kunst daraus.

Ich habe also einen sehr allgemeinen Kunstbegriff, der durchaus wenig greifbar ist. Wie Artdek sagte, kann ich mit dieser Definition nicht mehr Kunst von "Un"-Kunst trennen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das nötig ist. Ich habe schon zuviele Beispiele gesehen, in denen Menschen Kunst diffamierten, die ihnen nicht zusagte. Etwas den Status der Kunst abzusprechen rührt meiner Ansicht nach von einem Unverständnis oder einer Ignoranz her. Ich sage das so krass, weil ich selbst Anfangs recht ignorant war. Mein Kunstlehrer hat mir dann einmal ins Gewissen geredet, und ich habe praktisch von außen beobachten können, wie Leute eine Verweigerungshaltung gegenüber gewissen Kunstrichtungen haben.
Bezeichnenderweise war es eines von Malewitschs Quadraten, das meinen Wendepunkt darstellte. Die absolute Abstraktion hatte sozusagen kathartische Wirkung :D

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Beitrag von Jabo » 26. Mai 2008, 13:09

Alandur hat geschrieben:Kunst ist universell gültig, jedoch besitzt jedes Individuum einen anderen Geschmack.
Du tust ja geradezu so, als sei Geschmack eine angeborene menschliche Eigenschaft. Geschmack ist doch vor allem mal dadurch geprägt, wie wir bis dahin durch die Welt gegangen sind, was wir erlebt haben. Ich kenne Leute, die verschmähen gute Filme, weil eine der Szenen sie an ein persönliches Ereignis erinnert. Das ist zwar deren gutes Recht und für mich vollkommen nachvollziehbar, doch macht es den Film nicht schlechter als allgemein anerkannt. Eine persönliche Meinung gilt auch nur für einen persönlich. Erst wenn man mehrere Meinungen vereint, ergibt sich ein objektives Bild (man bedenke, wir versuchen die Frage zu klären "Was ist Kunst?", nicht "Was ist für dich Kunst?"). So sehe ich es bei der Kunst auch. Wenn 90 Leute sagen, dass dieser oder jener Maler Kunst macht, dann muss ich mit meinen 9 Mitstreitern die Gegenposition einnehmen. Aber in 200 Jahren werden sich die Leute nicht mehr an unsere Meinung, sondern an die der 90 anderen erinnern. Vergessene Kunst ist keine Kunst. Die Kunst, die nach 300 Jahren immer noch als Kunst bezeichnet wird, wird Kunst bleiben. Von daher finde ich es etwas ignorant zu sagen, Kunst sei alles, oder Kunst sei Geschmackssache. Zu esoterisch, als dass man es ernst nehmen könnte.

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Beitrag von Artdek » 26. Mai 2008, 13:19

@Alandur

darf ich dich darauf aufmerksam machen, dass Absätze in deinem Post sich selbst widersprechen?
Die ganze Welt und alles darin ist etwas besonderes.
Was mich allerdings stört, daß manche Künstler Unsummen für ein paar Klekse und Striche erhalten. Das hat nichts mit Genialität zu tun
Wenn Alles als Kunst so besonders ist, warum haben diese Künstler mit ihren paar Klecksen (vielleicht Jackson Pollock) nicht deine Hochachtung verdient?


des weiteren:
Wir haben nur vergessen zu staunen und zu bewundern, weil es in der modernen Gesellschaft als rückständig und antiquiert gilt.
1. Ich habe nicht vergessen zu staunen und zu bewundern. Ich bewundere zum Beispiel Jackson Pollock für seine wilden emotionalen Gemälde und seinen Mut, diese zu konsequent zu machen, obwohl die Geschmäcker doch meist auf figuratives und narratives aus sind.
2. Staunen gilt weder als rückständig noch als antiquiert. Weder in Deutschland noch anderswo. Staunen ist eine fundamentale menschliche Emotion, die Kinder häufiger haben als Erwachsene, weil für sie die Welt noch neu und voller Wunder ist.
Aber erst kürzlich sah ich (moderne) Wissenschaftler der NASA in einem Video. Sie leiteten die erste MarsRover Mission und staunten, als sie das erste Farbfoto der Oberfläche des Mars sahen. Und sie staunten genauso wie mein Großvater staunte, als er anfang der 90er mit mir zusammen "Jurassic Park" (ein echtes Kunstwerk!) im Kino sah.

Zum Beispiel mit dem Stift:
Diese kleine Geste des Stiftes muss erst noch Kunst werden. Und sie wird genau dann zur Kunst, wenn sie, wie nitropenta beschrieb, in einen neuen Zusammenhang gesetzt wird. Zum Beispiel in dem man darüber schreibt. Denn dann beginnt man, das Augenmerk des Rezipienten auf eine sonst unscheinbare Geste zu lenken, und somit gibt man dieser Geste plötzlich ein existenzielles Gewicht.
Die Kunst ist hier eben nicht, es einfach zu tun. Sondern die Kunst ist, es in einen Kontext wie z.B. unserer Auseinandersetzung, zu stellen und etwas gewöhnliches außergewöhnlich zu machen. Aber auch dieses Aufmerksammachen erfordert erst Fähigkeiten, Beobachtungsgabe, Schreibkunst und Diskurs, bis man auch nur ansatzweise damit anfangen kann, es zur Kunst zu erheben.

Dadaisten sind leider out.
Ebensogut könnte man die alten Kunstvorstellungen der Nazis wiederbeleben und behaupten, dass das hier alles nur entarteter Müll ist.
Ich jedoch glaube, dass sich der Kunstbegriff, obwohl er sich in seinen Moden äußerlich wandelt (siehe Dada), einem Prinzip innewohnt, der ihm überhaupt erst das Label "Begriff" ermöglicht. Begriff kommt von "Begreifen". Und wenn Kunst "Alles" begreift, dann braucht man das Wort an sich nicht mehr. Aber was sagt man dann zu Künstlern? Aller? Oder Allener?

Wir haben doch Begriffe, um uns auszutauschen, oder? Für soziale Kontakte und menschliche Zusammenarbeit!? Sollten wir uns da nicht von dem Denken lösen, dass Kunst rein subjektive sei, und jedem sein Geschmack entsprechend sei? Wie können wir uns dann noch über ein Thema unterhalten, wenn es plötzlich alles beinhaltet?

Dabei hat man doch für die Philosophie schon beansprucht, dass es Alles sei. Und für die Mathematik gilt auch, dass es Alles sei. Selbst Musiker sagten, Musik sei alles. Und die von den Medien meinen auch, dass alles Medium ist. Und die Kunst auch noch. Na, dann ist ja alles alles und reden überflüssig, weil alle Worte, die ich in meinem Schreiben verwende, für Alles stehen, und nicht für etwas spezielles, das in seinem Syntax einen Kontext evoziert, der eine Vorstellung zulässt.

Entschuldige meinen Sarkasmus, aber ich kann mir das Alles nicht vorstellen...
"Hundert Schafe, von einem Löwen geführt, sind gefährlicher als hundert Löwen, geführt von einem Schaf."

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Beitrag von digitaldecoy » 26. Mai 2008, 14:43

Ich frage mich gerade, ob der Begriff "Kunst" nicht vielleicht sogar völlig überflüssig ist. Ich habe mir da jetzt nicht großartig den Kopf drüber zerbrochen, aber gibt es auch nur einen Satz, in dem man das Wort "Kunst" nicht auch durch einen spezifischeren Begriff ersetzen könnte, ohne dabei die Aussage zu verwässern? Ist es nicht so, dass "Kunst" ein gleichmacherischer Begriff ist, der im Hinblick auf die Vielfältigkeit der kreativen Ausdrucksmöglichkeiten völlig unangebracht ist? Könnte man den "Künstler" nicht zum "Schöpfer" machen und dabei immer noch das Wesen seiner Tätigkeit beschreiben OHNE ihm dadurch einen Qualitätsstempel aufzudrücken?

Wo ist er, der Satz, für den ich das Wort "Kunst" unbedingt brauche, weil ihn sonst niemand versteht?

@ nitropenta:
Denn Kunst muss einen Urheber haben...
Mal nachgefragt: muss dieser Urheber, Deiner Ansicht nach, ein Mensch sein? Oder ist auch ein Vogelnest ein Kunstwerk oder ein Termitenbau?
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Beitrag von BRANDISH » 26. Mai 2008, 15:01

digitaldecoy hat geschrieben:Ich frage mich gerade, ob der Begriff "Kunst" nicht vielleicht sogar völlig überflüssig ist.
Das denke ich mir auch... der Begriff stiftet meiner Meinung nach mehr Verwiruung als Klarheit.
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Beitrag von Jabo » 26. Mai 2008, 15:24

Würde dann nicht das Anstreichen des Zimmers beim Auszug aus der Wohnung auf die selbe Stufe gestellt mit dem Malen einer Landschaft? Das gilt es zu vermeiden. Allerdings stimme ich DD hier zu. Eigentlich ist der Begriff überflüssig, ja.

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Beitrag von digitaldecoy » 26. Mai 2008, 15:26

@ bleicher:

Abgesehen davon, dass "künstlich" nicht mehr viel mit dem Kunstbegriff zu tun hat:

Kunstseide - synthetische Seide
künstliche Zähne - nachgebildete Zähne
künstliches Lächeln - gespieltes Lächeln

Es dürfte auffallen, dass die Aussage in keinem der drei Fälle leidet.

edit:

@ Jabo:

Nicht zwingend. Man würde dann eben zwischen dem "Maler" und dem "Anstreicher" unterscheiden.
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Beitrag von Duracel » 26. Mai 2008, 15:47

Alandur hat geschrieben:Aber seien wir doch mal ehrlich. Auch wenn es niemand offen zugeben würde, welche arme Jacke würde nicht all seine Fähigkeiten gegen Ruhm, Macht, Reichtum und Liebe eintauschen, wenn sich ihm die Gelegenheit bietet. ;)
Gegen Ruhm, Macht, Reichtum?
Liebe ja, ohne Zweifel, aber die anderen drei Dinge sind verglichen damit absolut belanglos.

Biete sie mir an und ich verzichte.


Alandur hat geschrieben:für ein paar Klekse und Striche
Es wird oft gerne unterschätzt welcher Schwierigkeit die Dinge sind, die nicht auf Virtuosität beruhen. Nur weil man die Schwierigkeit nicht sieht, weil man auf die falschen Dinge achtet ... male ich ein gegenständliches Bild ist die Wacom-Stiftführung ja nicht das Entscheidene; male ich ein abstraktes Bild, liegt die Schwierigkeit nochmal woanders.
Siehst du nur "Klekse und Striche", dann entgeht dir eben mitunter ein wesentlicher Aspekt des Ganzen.
Ziel ist, woran kein Weg vorbeiführt.

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Beitrag von Artdek » 26. Mai 2008, 17:39

@digitaldecoy

Also:
Wo ist er, der Satz, für den ich das Wort "Kunst" unbedingt brauche, weil ihn sonst niemand versteht?
"Ich gehe gern in den Kunstunterricht, weil mir meine Kunstlehrerin nicht nur die Geschichte der Kunst beibringt, sondern auch die schönen Künste wie das künstlerische Gestalten meiner Kunsthausaufgabe."

oder der hier

"Als ich von der schlechten Kunst hörte, dachte ich zunächst an eine grimmige Frau mit dicken Oberschenkeln. Als mir dann klar wurde, dass Kunst nicht der Nachname einer Frau, sondern die naturgetreue Darstellung derselben auf Papier sei, zeichnete ich eine grimmige Frau mit dicken Oberschenkeln auf ein Blatt Papier. Ich zeigte das Bild meinem Nachbarn, einem selbsterklärten Kunsthasser. Er sagte, wie schön das doch aussähe und dass er selbst nicht in der Lage wäre, es ebenso zu zeichnen. Er sagte, diese Zeichnung könne nur ein Zeichner gemacht haben. Darauf antwortete ich, dass ein Maler dieses Bild machte, und dass er vorhabe, es in Stein zu meißeln. "Ach wirklich?", sagte der Kunsthasser."
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Beitrag von HPohl » 26. Mai 2008, 18:33

Ich habe die Beiträge nur sehr, sehr grob überflogen. Aber zu dem Thema möchte ich gerne PD Dr. Nils Büttner zitieren.
Prämissen

1. Um zu sein, muß Kunst sich innerhalb eines kommunikativen Prozesses medial manifestieren.
2. Das Medium muß rezipiert werden und über einen längeren Zeitraum rezipierbar sein, egal ob als Primär-, Sekundär- oder Tertiärmedium.
3. Innerhalb des aus dem kommunikativen Prozeß sich entwickelnden ästhetischen Diskurses ist der Kunstbegriff historischen Wandlungen unterworfen.

Definition

1. Als Kunst gilt, was allgemein für Kunst gehalten wird.
2. Ein Medium, das einmal allgemein für Kunst gehalten wurde, behält für die Dauer seiner Existenz den Status des Kunstwerkes.
3. Die Allgemeingültigkeit dieser Feststellungen bleibt von abweichenden subjektiven Urteilen unberührt.

Beurteilung

1. Allgemein für Kunst gehalten wird jedes von einer allgemein als Künstler anerkannten Person hervorgebrachte Medium.
2. Kunst kam von Können.
3. Allgemein für Kunst gehalten werden auch solche Medien, die zwar unter anderen Prämissen entstanden, nun jedoch allgemein für Kunst gehalten werden.

Beurteilung zeitgenössischer Kunst

1. In der Moderne ist Können kein Kriterium mehr.
2. Kunst muß innovativ und avantgardistisch sein.
3. Kunst muß sich innerhalb des ästhetischen Diskurses positionieren.
4. Auch die von Künstlern behauptete Diskursverweigerung ist innerhalb dieses Systems zu denken (Roland Barthes).
5. Über die Positionierung des Mediums im Diskurs ergeben sich die Kriterien zur kritischen Beurteilung.
6. Man beurteilt letztlich nicht das Objekt sondern seinen Ort im Diskurs.
7. Was außerhalb des Diskurses steht ist keine Kunst
Das lasse ich einfach mal unkommentiert stehen...

Gruß, Holger

Christian
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Beitrag von Christian » 26. Mai 2008, 20:15

Hab nicht alle Beiträge gelesen, aber diese Diskussion kommt ja immer mal wieder auf - mein Senf dazu wäre:

Man muss unterscheiden, zwischen einem früheren und jetzigen Kunstbegriff:

Einerseits kommt Kunst von Können, was im Begriff selbst liegt. Kunst, und da fand ich Bleichers Anmerkungen (künstlich) interessant, war kunstgeschichtlich, eine von Menschenhand geschaffene(=künstliche) Abbildung der Realität. Für diesen Schaffensprozess benötigte man Fingerfertigkeit, Wille, Ausdauer, Durchhaltevermögen, Interesse, etc. Kunst=Können. Aber nur dann, wenn man es auf das Anfertigen von Abbildungen der Realität bezieht. Deshalb, weil hier ein für jederman offensichtlicher Maßstab besteht, den der Künstler bestenfalls erfüllt.

Und heute ist Kunst das, was entsteht, wenn man sich gestaltend (in welcher Form auch immer) mit einer Gegebenheit auseinandersetzt. Das betrifft wohl eher die modernen Künste, bei denen man manchmal nicht nachvollziehen kann, ob eine Idee hinter dem Gepinsle steckt (wie z.B. dem Übermalen von abgeschlossenen, ausgearbeiteten "Kunstwerken" um Gegenkunst zu schaffen und um den alten Kunstbegriff aufzubrechen o.ä.), oder ob jemandem einfach nur der Farbeimer auf dem Teppich umgefallen ist und er die Muster "cool" fand. Ich finde moderne Kunst häufig anstrengend, weil sie mir immer abverlangt, mich um den Prozess dahinter zu bemühen und wirklich nicht jeder Farbklecks ermuntert dazu.

Was der Herr Büttner zum Diskurs meint, Kunst sei nur dann Kunst, wenn man auch drüber spricht, halte ich ehrlichgesagt schon für diskutabel. Erachtet es der Mob als nicht wichtig genug, um sich darüber zu unterhalten, verliert es an Wert? Klingt mir zu sehr nach Popmusik die nur dann gespielt wird, wenn sie ankommt, und abgesetzt wird, wenns ausgelatscht ist.

Wenn sich jemand allein in seinem Kämmerchen über Jahre hinweg mit etwas beschäftigt, ein Werk erarbeitet, es dann aber, ohne es jemandem zu zeigen, wegwirft, weil er damit abgeschlossen hat und nichts mehr draus lernen kann und es zu seiner Zufriedenheit durchdrungen hat, soll das keine Kunst mehr sein, nur weil es niemand erfährt? Bisschen albern. Ich finde diese Aufzählung, 1... 2... 3... von Büttner auch etwas seltsam. Wahrscheinlich führt er das noch weiter aus, und bestimmt Untergruppen für Kunst 1ter, 2ter und 3ter Klasse, je nachdem wieviele Kriterien er auf seiner Liste erfüllt sieht. Würde mich interessieren was ihr dazu meint.

Alandur
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Beitrag von Alandur » 26. Mai 2008, 21:45

Jabo hat geschrieben:
Alandur hat geschrieben:Kunst ist universell gültig, jedoch besitzt jedes Individuum einen anderen Geschmack.
Du tust ja geradezu so, als sei Geschmack eine angeborene menschliche Eigenschaft. Geschmack ist doch vor allem mal dadurch geprägt, wie wir bis dahin durch die Welt gegangen sind, was wir erlebt haben. Ich kenne Leute, die verschmähen gute Filme, weil eine der Szenen sie an ein persönliches Ereignis erinnert. Das ist zwar deren gutes Recht und für mich vollkommen nachvollziehbar, doch macht es den Film nicht schlechter als allgemein anerkannt. Eine persönliche Meinung gilt auch nur für einen persönlich. Erst wenn man mehrere Meinungen vereint, ergibt sich ein objektives Bild (man bedenke, wir versuchen die Frage zu klären "Was ist Kunst?", nicht "Was ist für dich Kunst?"). So sehe ich es bei der Kunst auch. Wenn 90 Leute sagen, dass dieser oder jener Maler Kunst macht, dann muss ich mit meinen 9 Mitstreitern die Gegenposition einnehmen. Aber in 200 Jahren werden sich die Leute nicht mehr an unsere Meinung, sondern an die der 90 anderen erinnern. Vergessene Kunst ist keine Kunst. Die Kunst, die nach 300 Jahren immer noch als Kunst bezeichnet wird, wird Kunst bleiben. Von daher finde ich es etwas ignorant zu sagen, Kunst sei alles, oder Kunst sei Geschmackssache. Zu esoterisch, als dass man es ernst nehmen könnte.

Nun, wie bereits angemerkt, gibt es keine universell gültige Aussage über die Kunst und was sie ist, was sie beinhaltet und definiert ist. Jeder schreibt doch hier seine Meinungen und Ideen rein. Es gibt viele, die meinen eine absolut gültige Definition von Kunst gefunden zu haben, und verkaufen sie auch entsprechend. Das geht aber gar nicht, denn Kunst ist ein variabler Überbegriff zur Beschreibung für einen schöpferischen Akt. Egal mit welchen Mitteln und mit welchem Resultat.
Welche Art von"Kunst" ist denn in einem kontinuierlich aufeinander folgenden Zeitraum universell gefragt und gültig? Jedes Stilmittel und jede Variation wird mal mehr und mal weniger geschätzt. Außerdem gibt es wie gesagt immer Leute die eine Kunstrichtung verehren oder ablehnen, egal in welchem Jahrundert. Wo liegt denn da das Problem?
Modeerscheinungen mit einigen ausgewählten Ausnahmen die aber oftmals nur dann nicht in Vergessenheit geraten, weil reiche Mäzene die Werke der breiten Öffentlichkeit bekannt machen, sie bewahren und entsprechend präsentieren.


@Jabo zum zweiten: Hach bin ich froh, das ich sowohl meine Kreativität ausleben darf, als auch funktionierende Geschmacksnerven besitze. Geschmack ist wichtig um für sich selbst etwas zu bewerten, ohne geht es nunmal nicht. Oder wie machst Du das?
Genieße Du Deinen Geschmack, ich genieße meinen. Mir ist es wichtig, das jeder glücklich ist, solange er dabei niemanden schadet. Wer diese Einstellung nicht teilt, braucht auch nicht mit mir zu diskutieren. ;)


@Duracel und Artdek: Ich habe doch extra vorher erwähnt, das ich die Leute, die zwei, drei Farbtupfer auf einer 2x2m weißen Fläche präsentieren NICHT verachte. In der Schule soll einem beigebracht werden, wie man schön und regelkonform künstlerisch tätig sein kann. Danach ist es wirklich schwerer, sich wieder von diesen Prägungen loszulösen und neue, freie Kunst zuu ergründen. Andererseits muß man auch feststellen, daß in manchem Kindergarten oder Irrenanstalt interessantere und ergreifende Bilder zustande gebracht werden. Und gar umsonst.
Was mich nämlich an der ganzen Sache stört ist nicht die etwa die Einfachheit oder der Aufwand (wochenlang an ein zwei schwarzen Balken zu sitzen, wer wünscht sich nicht damit reich zu werden ;) ), sondern die aberwitzigen Preise die mit einigen Klecksen erziehlt werden. Anstatt mehere Millionen dafür zu löhnen, sollte dieses Geld lieber bedürftigen Menschen oder bedrohten Tieren und Pflanzen zu Gute kommen. Dann wäre mir wohler.

:)
Zuletzt geändert von Alandur am 27. Mai 2008, 22:41, insgesamt 1-mal geändert.

Falk
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Beitrag von Falk » 27. Mai 2008, 08:35

Im alten Forum gab es diese Diskussion ja auch schon. Find ich sehr gut, wenn sie immer wieder entsteht!

Ich denke nicht, dass der Begriff Kunst überflüssig ist, sondern ganz im Gegenteil sehr sehr wichtig ist, denn bestimmt er eine ganz bestimmte Art und Weise mit Dingen umzugehen.

Für mich ist es relativ leicht zu bestimmen, ob etwas Kunst ist, oder nicht.
Und zwar, denke ich, kommt es auf die Absicht drauf an. Tu ich etwas aus künstlerischem Zweck, dann bin ich ein Künstler.

Zb kann ich ein Brot backen, um es zu verkaufen und damit die Menschen satt werden. Dann bin ich ein Bäcker. Aber ich kann auch das gleiche Brot backen und damit ein künstlerisches Ziel verfolgen, ich möchte damit etwas aussagen, etwas ausdrücken oder ich möchte dem Brot eine ganz besondere Form geben, ich backe also das Brot nicht als Bäcker, sondern als Künstler, ich verfolge damit eine künstlerische Absicht. Also bin ich Künstler und mein Brot ist ein Kunstwerk. Was anderes soll es denn sonst sein?

Der Unterschied ist also der, dass ich als Künstler viel mehr kreative Energie aufwände, ich verfolge einen individuellen Gedanken, ich habe gestalterische-schöpferische Absichten, ich will etwas vermitteln, eine Aussage treffen wie zB ein Gedichteschreiber. Als Bäcker backe ich tatsächlich schlicht und einfach nur ein Brot und nicht mehr.

Wenn es nun danach gehen soll ein Kunstwerk zu bewerten, dann kann es nicht nur, wie es meiner Meinung nach fälschlicherweise viele Menschen immer wieder machen, das Kriterium sein ob man es als Kunst erachtet oder nicht. Kunst heißt nicht, ob etwas einen hohen objektiven oder subjektiven Wert hat. Es muss noch nicht mal einen hohen materiellen Wert haben. Ein Kunstwerk kann ziemlich schnell und leicht entstehen. Man kann aus künstlerischem Zweck einfach einen Tropfen Farbe auf eine Leinwand fallen lassen. Zweifellos ein Kunstwerk, wenn es aus einem künstlerischen Antrieb heraus entstand, jedoch ziemlich wertlos. Erst wenn ich tatsächlich versuche eine Idee umzusetzen, wenn ich versuche diese Idee besonders gut auszudrücken und es auch technisch gut realisieren kann, kann daraus ein großes, ein wertvolles Kunstwerk werden.

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Beitrag von Artdek » 27. Mai 2008, 08:55

Falk hat es wohl am bisher am besten beschrieben.


@Alandur
Darf ich dich ein weiteres mal auf Widersprüche in deinem letzten Post hinweisen?

Nun, wie bereits angemerkt, gibt es keine universell gültige Aussage über die Kunst und was sie ist, was sie beinhaltet und definiert ist
doch dann:
denn Kunst ist ein variabler Überbegriff zur Beschreibung für einen schöpferischen Akt.

Ich finde, du triffst das Prinzip des Begriffes ganz gut, als du ihn mit der Beschreibung eines schöpferischen Aktes gleich setzt.
Natürlich könnte man auch sagen, dass es ebenfalls ein schöpferischer Akt sei, ein Brot zu backen. Außerdem könnte man anmerken, im Sinne von Falks Argumentation, dass es doch eine bestimmte Intention des Bäckers gäbe, d.h. dass es hinter dem Backen eine bestimmte Idee gäbe, die auch realisiert würde; nämlich die Idee des Hunger stillens.

Was mir aber bei dir auffällt, Alandur, ist, dass du wiederholt das Argument des Geld verdienens, des Millionen machens und reich und berühmt werdens erwähnst. Kann es sein, dass sich da ein wenig Neid breit gemacht hat? Eventuell ein Neid auf die, die trotz der scheinbaren Einfachheit ihrer Arbeiten Abnehmer, Fans und Bewunderer fanden? Waren diese Künstler dann nichts anderes als Bäcker, die einen bestimmten Hunger stillen und damit Geld verdienen wollten?
Man könnte doch ebenso behaupten, dass ein Bäcker sein Handwerk zur Kunst erklärt, als er ein Brot erschuf, das besser schmeckte als alle Brote aller anderen Bäcker der Stadt.

Kunst ist eben immer auch das, was sich aus einer Masse empor hebt und Bewunderung findet.

Eventuell wäre eine Definition dann so:

Kunst ist:
ein schöpferischer Akt
mit einer bestimmten Intention des/der Macher
enstanden bei Durchführung besonderer Fähigkeiten
und dann etwas geworden, das sich aus der Masse(Massenware) einer Gesellschaft deutlich hervorhebt.
"Hundert Schafe, von einem Löwen geführt, sind gefährlicher als hundert Löwen, geführt von einem Schaf."

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Beitrag von digitaldecoy » 27. Mai 2008, 09:21

@ Artdek:

Ich denke, dass man in Deinen ersten Beispielen das Wort Kunst recht problemlos durch "Gestalten" ersetzen könnte. Am ehesten erscheint mir der Kunstbegriff noch nützlich in "den schönen Künsten", weil man da halt sehr praktisch einen Sammelbegriff für etwas sehr konkretes gefunden hat aber auch da könnte man von "Formen der Gestaltung" oder "Ausdrucksformen" sprechen, was natürlich sperriger wäre.

Im zweiten Beispiel würde ich den "Kunsthasser" wohl einfach zum "Rationalisten" ummünzen und an den anderen Stellen ist das Wort Kunst völlig austauschbar.

@ Falk:

Ich zweifle ja nicht das "Prinzip Kunst" an, ich frage mich nur, ob der Kunstbegriff nicht vielleicht mehr Schaden anrichtet als er Nutzen bringt, weil er mittlerweile eine stark bewertende Komponente beinhaltet. Aber gut, sicher ist das nicht an den Begriff gekoppelt sondern diese Bewertung würde bei jedem Begriff stattfinden. Dann würde es halt nicht heißen, "das ist keine Kunst" sondern "das ist keine Gestaltung" oder "das ist schlechte Gestaltung". Von daher kann man vermutlich auch einfach mit dem Kunstbegriff weiterleben.
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Beitrag von Artdek » 27. Mai 2008, 09:58

@digitaldecoy


"Kunsthasser" ist ein emotional geladener Begriff, der andeutet, wie sehr eine Person alles hasst, was sie als Kunst definiert.
"Rationalist" ist nicht zwangsläufig ein Mensch, der Kunsthasst, u.U. sogar im Gegenteil. Dein Synonym hinkt hier leider sehr zum Nachteil der kleinen Geschichte, die ich schrieb, um die Notwendigkeit und Verwendung des Begriffes selbst zu erläutern.


Natürlich kann man jedem Wort ein Synonym zuordnen.
Synonyme stehen für sinnverwandte Wörter, welche meist eine ähnliche Bedeutung haben.
Wörter mit genau gleicher Bedeutung gibt es aber nicht, zumeist besteht ein Unterschied im Sinn oder der Wertigkeit eines synonymeren Wortes.
Synonyme für das Wort "synonym": bedeutungsverwandt, bedeutungsähnlich, bedeutungsgleich, gleichbedeutend, sinnverwandt, sinnähnlich, sinngleich
Aber hat der Satz dann noch immer die gleiche Bedeutung? Emotionale Wertung? Ruft er noch immer die gleichen Ideen bei den gleichen Rezipienten hervor?

Kunst ist etwas wunderschönes.
Gestaltung ist etwas wunderschönes.
Gestaltung ist etwas sehr ansehnliches.
Schmuck ist etwas sehr ansehnliches.
Schmuck ist hübsch.
Juwelen sind hübsch.
Juwelen sind edel.

Meine Kunstlehrering hat mir im Kunstunterricht das künstlerische Gestalten beigebracht.
Meine Juwelenlehrerin hat mir im Juwelenuntericht das gestalten von Juwelen beigebracht.
Aber im Kunstuntericht habe ich auch das Zeichnen gelernt. Im Juwelenunterricht haben wir nie gezeichnet... :P
Zuletzt geändert von Artdek am 27. Mai 2008, 10:21, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von digitaldecoy » 27. Mai 2008, 10:19

Mir ist schon klar, dass in dem Wort "Kunst" noch andere Dinge mitschwingen als in dem Wort "Gestaltung". Nur frage ich mich halt (ich würde nicht wagen, es zu behaupten) ob dies unbedingt nützliche Dinge sind, die da mitschwingen. Nehmen wir nur Mal das sehr populäre Beispiel "Illustration ist keine Kunst". Nur weil der Kunstbegriff mit allen möglichen akademischen und snobistischen Ideen überfrachtet ist, kann man so einen Satz überhaupt aussprechen, ohne sich gleich dadurch lächerlich zu machen. Gäbe es das Wort "Kunst" nicht und man müsste auf einen neutraleren Begriff wie "Gestaltung" ausweichen, wäre der Satz "Illustration ist keine Gestaltung" in sich schon lächerlich.

Natürlich ist mir auch klar, dass eben WEIL sich gewisse Denkweisen über die Zeit eingestellt haben, so etwas wie der Kunstbegriff notwendig wurde. Eben weil die "Kunstszene" sich abgrenzen will gegenüber vermeintlich minderen Gestaltungsformen.

Ich könnte mir allerdings gut vorstellen, dass sich der Kunstbegriff mit der Zeit auflösen wird. Denn was unterscheidet denn die Plastik eines Künstlers von dem Design einer Kaffekanne? Ich meine jetzt nicht vom ästhetischen Wert sondern rein praktisch? Es ist doch so, dass der Gestalter hinter der Kaffekanne so gut wie nie bekannt ist. Und ist es nicht so, dass immer dann, wenn ein Gestalter an das Licht der Öffentlichkeit tritt (da fällt mir spontan Colani ein), sein Werk sich auf ein Mal wandelt vom schnöden Design zu mindestens Designkunst wenn nicht sogar zum Kunstwerk? Wäre Architektur jemals zur Kunstform erhoben worden, wenn nicht Mal irgendwann ein Architekt nach vorne getreten wäre um zu verkünden, dass er mehr macht als nur handwerkliche Regeln zu befolgen?

Ich glaube, dass viele Werke, die man ohne Weiteres als Kunst bezeichnen könnte, nur deshalb nicht als solche wahrgenommen werden, weil der Urheber mehr oder weniger anonym bleibt. Das hat sicher seine praktischen Gründe aber ich finde das wirft ein ziemlich entlarvendes Licht auf den Kunstbegriff. Denn der ist vielleicht am Ende nichts anderes als Gestaltung plus einer gesalzenen Portion menschlicher Eitelkeit.
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Beitrag von Artdek » 27. Mai 2008, 10:29

Ah, ich verstehe. Erst gestern habe ich in einem Dossier für Rethorik die Manipulation in der politischen Rede studiert. Da stand unter anderem, dass man lieber den Begriff "Fremdarbeiter" als "Gastarbeiter" in seinen Reden verwenden sollte. Ebenso sollte man, als "Freiheitskämpfer" nie davon reden, dass man Menschen erst "terrorisieren" müsse, um für ihre Freiheit zu kämpfen.

Es bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als "Künste" mit einem erläuterndem Adjektiv zu versehen, um nicht in die Versuchung zu gelangen, einen Überbegriff zu verbannen, nur weil Menschen unangenehm damit in Kontakt gekommen sind.
Dann werde ich jetzt wohl häufiger von den "unsichtbaren Künsten" sprechen, um die Gestaltung einer besonders schönen Kaffeekanne zu preisen.
"Hundert Schafe, von einem Löwen geführt, sind gefährlicher als hundert Löwen, geführt von einem Schaf."

Falk
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Beitrag von Falk » 27. Mai 2008, 17:52

"Illustration ist keine Kunst"
Find ich interessant als Aussage. Ich würde dem sogar unbedingt zustimmen.
Eine Illustration mag zwar auf dem ersten Blick, neben ein Kunstwerk-Bild gestellt, das Gleiche sein... ist sie aber nicht. Denn geht es dem Illustrator, wenn man genau hinschaut, um was anderes, als dem Künstler. Das Anliegen des Illustrators ist es etwas Vorgegebenes zu illustrieren, das heißt er richtet sich nach einer bestehenden Sache und versucht diese darzustellen. Ein Illustrator ist viel mehr der Bäcker, der nach Vorgabe ein Brot bäckt, meist kommt da noch eine kommerzielle Absicht hinzu. Beim Illustrator steht nicht so sehr im Vordergrund etwas Neues zu kreieren, sondern vielmehr eine Sache zu erklären, die es schon gibt. Ein Illustrator ist also sowas wie ein Lehrer, der seinen Schülern das 1 Mal 1 beibringt aber es selber nicht erfunden hat.
Ich hoffe man denkt nun nicht, dass ich die Illustration damit abwerte, denn braucht man ja auch dafür, damit sie gut gelungen ist hohe Fertigkeiten. Und deshalb wird sie ja auch so leicht als Kunstwerk hingestellt, dabei hat sie doch das Kriterium der Illustration erfüllt und nicht das, der Kunst.

Artdek, ich finds super was du schreibst, würde dir aber widersprechen wollen, dass Kunst deutlich aus der Masse hervorstechen muss. Muss sie überhaupt gar nicht. Es gibt durchaus auch Künstler, die niemand kennt und die in ihren 4 Wänden Kunstwerke schaffen, die nie jemand zu Gesicht bekommen wird. Kunst ist auf jeden Fall nicht abhängig von der Bewertung anderer Menschen.

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Beitrag von Alandur » 27. Mai 2008, 23:15

@artdek: Nein, ich bin nicht neidisch auf erfolgreiche Menschen (insbesondere dann, wenn der Erfolg gerechtfertigt ist, doch das ist relativ, weshalb ich versuche, dies über den Begriff Geschmack zu verdeutlichen bzw. zu umschreiben). Ich habe schon erwähnt, das viele Künstler zu ihren Lebzeiten nicht verstanden werden und auch nicht reich sind, aber nach ihrem Tode andere mit ihren Werken viel Geld verdienen. Das ist nicht gerecht. Siehe oben.
Für allen Dinge in Leben finden sich Befürworter und Gegner. Ist es ein Kunstwerk ist oder nicht? Schmeckt Waldmeister besser als Himbeer? Haben wir einen freien Willen oder nicht? Gott? Ja oder nein? Dies ist auf alle Bereiche und Diskussionen anwendbar, das Prinzip ist immer das gleiche. Verschiedene Seiten, pro oder kontra. Einige Leute sind immer pro, andere immer kontra. ich versuche, mir von beiden Seiten etwas zu bewahren. Ich halte mich gewissermaßen für tolerant. Selbst das finden einige Leute gut, aber auch einige von "pro" und "kontra" finden es jedoch eben deshalb nicht gut. Schade, aber so ist das nun mal in unserer Existenz. Somit bleibt festzustellen, daß egal für welchen Weg man sich entscheidet, man immer auch mit Akzeptanz und Widerspruch rechnen und leben muß. Mal ist das gut, mal ist es schlecht für uns. ;)
Zum zweiten: Ich muß auch wieder betonen, daß für die allermeisten Menschen ein Kunstwerk erst dann wertvoll erscheint, wenn es mit viel Geld (oder einem anderen materiell erfassbaren Gegenwert) aufgewogen wird. Dadurch scheinen viele Leute erst zu verstehen, das es sich bei Kunst um etwas wichtiges und besonderes handelt. Auch wenn mir übermäßige Geschäftemacherei und Hype innerlich widerstreben, akzeptiere ich dies. Wir Menschen werten Dinge und Ereignisse und Personen. Sonst könnten wir nicht überleben.
Du bewertest und beantwortest ja auch meine Worte. Ich wiederum tue dies mit Deinen. So kommt auf dieser astrakten, kommunikativen Ebene eine Diskussion zustande. Natürlich bleiben in dieser indirekten Diskussion, die nicht von Angesicht zu Angesicht stattfindet immer ein bischen Spielraum für Mißinterpretationen und Fehleinschätzungen.
Aber grundsätzlich begrüße ich die Diskussion, denn es tauchen neue Ansichten und ihre Facetten auf. Wir können etwas lernen und unser Leben dadurch bereichern.

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Beitrag von Artdek » 28. Mai 2008, 08:42

@alandur
Hab ich dich jetzt richtig verstanden, dass du glaubst, es gäbe immer ein pro und ein kontra, und dazwischen müsse jeder seine eigene Position finden. Eine Ebene der Kommunikation sei abstrakt, doch eine Diskussion, egal über welches Thema, sei stets begrüßenswert, weil sie Neues in Schriftform an den Tag bringen kann, eventuell sogar helfen könnte, besser zu differenzieren?
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Beitrag von digitaldecoy » 28. Mai 2008, 09:08

@ Falk:

Ich kann Deine Ansicht nachvollziehen, aber "unbedingt zustimmen" würde ich da auf keinen Fall. Das Problem liegt für mich dabei bei dem sehr weit auslegbaren Begriff "Illustration".

Natürlich gibt es Illustrationen, die rein so funktioniert, wie Du es beschrieben hast. Eine Explosionszeichnung von einem technischen Gerät z.B. erfüllt in meinen Augen genau diese Kriterien, wo hochgradige handwerkliche Fähigkeit mit einem Minimum an künstlerischem Anteil verbunden sind.

Aber es gibt halt auch Illustrationen, die weit über eine Beschreibung von Tatsachen hinausgehen. Buchillustrationen z.B. können unmöglich Tatsachen beschreiben, denn die Inhalte des Buches sind imaginär. Die Arbeit des Illustrators besteht in dem Fall darin, seine persönliche Vorstellung der Inhalte zu visualisieren. Außerdem wählt er dabei gestalterische Mittel, die ihm geeignet scheinen, eine bestimmte Atmosphäre zu vermitteln und dadurch erschafft er eine höcht eigene Aussage. Was bitte, unterscheidet ihn da noch vom "Künstler"? Nur, dass er eine Vorgabe hatte? Sind dann alle Auftragsportraits und Malereien nach dem Leben auch keine "Kunstwerke"? Ist Frazetta nur ein Handwerker?

Ich würde Dir also zustimmen, wenn man den Begriff "Illustration" wirklich so eng fassen würde, wie es sich anbieten würde. So lange aber praktisch alle Malereien, die für eine populäre Vermarktung vorgesehen sind, als Illustrationen bezeichnet werden, kann ich Dir da nicht zustimmen.

Übrigens:
Denn geht es dem Illustrator, wenn man genau hinschaut, um was anderes, als dem Künstler. Das Anliegen des Illustrators ist es etwas Vorgegebenes zu illustrieren, das heißt er richtet sich nach einer bestehenden Sache und versucht diese darzustellen.
Ich hätte hier gerne noch gelesen, worum es, Deiner Ansicht nach, dem Künstler geht. Denn
... das heißt er richtet sich nach einer bestehenden Sache und versucht diese darzustellen.
gilt doch wohl für den Großteil aller gemalten Kunstwerke, die sich über die Jahrhunderte so angesammelt haben, oder etwa nicht?
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Beitrag von Duracel » 28. Mai 2008, 10:31

@Daniel<->Falk
Nunja, was du jetzt beschreibst ist ja quasi der Konditor, der eine Torte backt.
Natürlich gibt es da immer Zwischenstufen, einfach, weil immer auch unterschiedliche Motive zusammenkommen, weswegen man etwas macht.
Eine Torte wäre demnach eher eine "künstlerische Illustration"; und es gibt sicher auch "illustrative Kunst".
Aber die beiden Pole zwischen denen sich das hält, würde ich doch auch so sehen wollen wie Falk.

Klar gibt es auch immer Fälle wie z.B. Michelangelo, dessen David als Kusntwerk gilt, der aber ohne Zweifel eine Auftragsarbeit war.
Ja was ist eigentlich, wenn man den Auftrag bekommt ein Kunstwerk zu erschaffen?
Ich denke da wird das ganze Gebilde einfach komplexerer Natur; Begriffe wie "Kunst" und "Illustration" helfen uns dabei "Entscheidungen" zu treffen. Aber wenn es beim Artbattle 33% zu 66% steht, heißt dass ja auch nicht, dass das eine Bild doppelt so gut war, geschweige denn "besser"; sondern schlichtweg, dass sich 66% für den einen als Sieger entschieden haben.
Als "Illustrator" bist du auf der Kunstskala gemessen eben ein Verlierer.

Alandur hat geschrieben:Nein, ich bin nicht neidisch auf erfolgreiche Menschen (insbesondere dann, wenn der Erfolg gerechtfertigt ist[...]) Ich habe schon erwähnt, das viele Künstler zu ihren Lebzeiten [...] nicht reich [geworden] sind [...] Das ist nicht gerecht.
[...]
Ich muß auch wieder betonen, daß für die allermeisten Menschen ein Kunstwerk erst dann wertvoll erscheint, wenn es mit viel Geld aufgewogen wird. Dadurch scheinen viele Leute erst zu verstehen, das es sich bei Kunst um etwas wichtiges und besonderes handelt. Auch wenn mir übermäßige Geschäftemacherei und Hype innerlich widerstreben, akzeptiere ich dies.
Du bist wirklich gut darin, dir zu widersprechen.

Den letzten zitierten Absatz verstehe ich so, dass du Kunstwerke nicht nach dem Geldwert bemisst und diese unmittelbare Verknüpfung(gute Kunst=hoher Geldwert) deiner Lebensauffassung eher widerstrebt.
D.h. du sagst im Grunde, dass Kunst nicht dem Maßstab Geld untergeordnet werden soll.

Im ersten Absatz hingegen machst du deutlich, dass du es als wichtig empfindest, dass möglichst jedem Kunstwerk auch sein "Geldwert" zugestanden wird. Und wenn ein Künstler nicht seinen "gerechten" Geldlohn erhält, empfindest du das als unfair.


Ich kann deinen Standpunkt insofern nachvollziehen, als dass ich selbst auch nicht grade ein Verfechter des modernen Kapitalismus bin. Wenn mir aber unser extremes Kapitaldenken widerstrebt und ich selber andere Maßstäbe anlege, dann sollte es mir wichtig sein, dass bei "für mich entscheidenen" Dingen alles "fair" bleibt.
Habe ich z.b. weniger "Erfolg", wenn ich meine Bilder an Leute verschenke, die selbst wenig Geld dafür geben können; ich sie aber dafür umso glücklicher mit diesem Geschenk mache?
Oder bin ich doch erfolgreicher, wenn ein Museumsvorsteher kalkuliert mit meinen Werken seine Gallery gut auf dem "Markt" positionieren zu können.
Oder wenn ein Kunstmäze nochmal das doppelte bezahlt, weil er es vond er Steuer absetzen kann!?

Du scheinst Erfolg dann doch sehr stark nach dem dir doch eigentlich widerstrebenden Maßstab des Geldes zu bewerten.

Geld ist ohne Zweifel ein wesentlicher Indikator für den Wert einer Sache, aber er krankt daran, dass er nur die Dinge fair behandelt, die sich seinem System auch wirklich gedanklich unterordnen. Und "der Mensch" ist eben kein fester Faktor in dieser Rechnung.
Ziel ist, woran kein Weg vorbeiführt.

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Beitrag von Falk » 28. Mai 2008, 19:58

@Daniel: Ich muss das vielleicht nochmal etwas genauer beschreiben.
Wie Duracel schon sagt, gibt es zwischen dem Kunstwerk und der Illustration auch viele Zwischenstufen, mir gefallen da die Begriffe "künstlerische Illustration" und "illustrative Kunst" sehr gut.

Um auf deine Beispiele einzugehen: Ja, eine Auftragsarbeit, bei der es darum ging jemanden zu portraitieren kann meiner Meinung nach Illustration ODER Kunstwerk sein. Illustration ist sie, wenn der Maler die Person einfach abgemalt/kopiert hat, zum Kunstwerk wird sie, wenn der Maler die Person neu interpretiert und ihr etwas eigenes hinzugefügt hat.

Frazetta ist für mich auf jeden Fall ein großer Künstler und weniger ein Illustrator (bis auf wenige Auftragsarbeiten), weil er über die Abbildung einer Sache hinaus immer auch noch etwas Mehr mitschwingen lässt. In seinen Arbeiten findet man nicht nur den muskelbepackten Muskelprotz an sich, sondern darüberhinaus Etwas: zum Teil witzigen Zynismus oder diese ganz spezielle, geniale Art und Weise den menschlichen Körper darzustellen. Das künstlerische bei Frazetta ist sein starker, emotionaler Stil. Das haben Illustrationen meistens nicht, die sind häufig mehr Technik dafür viel weniger Emotion, weniger Aussage und weniger Ausdruck.

Man kann zb einen Drachen malen und da ist am Ende nicht mehr als ein technisch raffiniert dargestellter Drache entstanden. Das wäre für mich eine Illustration.
Aber man kann auch einen Drachen malen und diesen mit Emotion aufladen, ihn mit einer bestimmten Idee verknüpfen, die über die bloße Abbildung des Drachens hinaus etwas darstellt, der Drache kann außerdem besonders ausdruchsstark, erfüllt mit dem individuellen Stil des Malers gemalt worden sein... Dann wird er für mich zum Kunstwerk und wird sich auch von dem illustrierten Drachen unterscheiden.

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