Gibt es (noch) einen Markt für analoge Porträtmalerei?

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tomi
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Beitrag von tomi » 30. Sep 2010, 19:51

Ich kann natürlich nur meine kleine bescheidene Meinung dazu abgeben und auch nur aus meiner eingeschränkten sicht :D aber:

Der Markt für freie Malerei ist durchaus vorhanden. Viele Galerien weltweit leben davon und verkaufen um ehrlich zu sein, mehr Bilder als man denken würde. Diese Galerien beziehen ihre Bilder auch irgendwoher ;) Nur das Ding ist halt, bis man eine Nische findet, sich in dieser gut positioniert und Kontakte findet, die gewillt sind ~2.000 € (Beispiel) für ein Bild zu bezahlen, wird man ein sehr ärmliches Dasein fristen, gerade in Deutschland sind ja diese sozialen Hilfen, soweit ich weiß (lebe in Österreich), nicht unbedingt so hoch angesetzt, dass es lebenswert wäre mit diesem Einkommen seinen Traum verwirklichen zu wollen. Zumindest, dürfte man sich nicht "bloß" auf Porträts einschränken! Ich weiß jedoch nicht, wie das ist mit deiner Krankheit und wie sehr man da bezuschusst wird.

Du musst bedenken, gerade Porträtmalerei ist eine extrem persönliche Angelegenheit, das was du auf der Leinwand (er)schaffst ist ein Bild einer Person, wie du sie siehst. Ich kann mir vorstellen, dass zwar viel Geld von reichen Firmenbossen u.ä. vorhanden ist, aber es sehr mühselig sein kann mit diesen zu arbeiten und abzuklären wie das Bild sein soll bzw. diese überhaupt erstmal ausfindig zu machen. Vorallem wenn dies nun Leute sind, die sonst mit Malerei nichts am Hut haben und keine genaue Vorstellung davon haben was sie wollen und was möglich ist.

Wenn man so argumentiert, kommt man schnell zu dem Schluss, dass Porträtmalerei kaum noch freie Malerei ist sondern kommerzielle (das was du unter angewandter verstehst) Kunst ist, da du es nicht aus freiem Willen, ungezwungen, unvoreingenommen und unverfälscht malst, sondern auf die Wünsche von den Personen die gemalt werden sollen eingehen musst.

Aber da du ja, ich nenn's mal Extrempersönlichkeiten malen möchtest, die dir deine Porträts vermutlich nicht abkaufen werden, da sie in Guantanamo wohl keine Wand haben zum aufhängen ... rutscht du in eine ganz eigene Kategorie, nämlich in eine, wo die Bilder von jenen gekauft werden die spezielles Interesse an genau diesen Leuten haben, oder von Menschen, welche für Hilfsorganisationen oder ähnliches arbeiten. Natürlich kann es dir auch passieren, dass du eine Person findest die alle deine Porträts kauft, alleine wegen deiner tollen Kompositions- und Farbwahl, aber das ist glaube ich ganz selten der Fall.

Andererseits, bitte ich darum korrigiert zu werden, falls meine Sicht komplett getrübt ist auf das Thema.

Ich möchte auch noch erwähnen, dass, wenn du tatsächlich diesen Traum verwirklichen möchtest und du es dir lange genug überlegt hast und du dich auch mit einem etwaigen Mißerfolg anfreunden könntest, solltest du es versuchen. Es gibt zu viele Menschen, die in Berufen arbeiten die ihnen keinen Spaß machen. Ich war immer verfechter der Meinung, dass man etwas das einem keinen Spaß macht nur zum Überleben machen sollte, denn irgendwo ist es Sinn des Lebens glücklich zu sein und Spaß daran zu haben was man macht. (Obwohl ich darüber jetzt nicht unbedingt eine Diskussion anreißen will ;) )

P.S.: Viele Freie Maler sind eben erst nach ihrem Tod bekannt geworden, damit müsste man nunmal auch Leben können.

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WhiteLady
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Beitrag von WhiteLady » 30. Sep 2010, 20:58

Die Problematik, die tomi da beschreibt in punkto Auftragsarbeiten, bei denen du auf Wünsche deines Kunden eingehen musst (der dir das Ganze schließlich abkaufen soll), und dein Interesse an Portraits von Persönlichkeiten, die wahrscheinlich nicht die Kohle dazu haben werden, dir ein Bild abzukaufen, sehe ich auch als ganz wichtigen Punkt, den du unbedingt gut bedenken solltest.

Denn wenn du Leute im Auftrag malst, kannst du dich vermutlich nicht so ausleben beim Malen, wie du gerne würdest. Ich hab schon ein paarmal im privaten Bereich Kohleportraits von Freunden gezeichnet und festgestellt: Wenn du nicht das Bild triffst, was sie von sich selber haben, sind sie ziemlich unzufrieden. Würde mir vermutlich genauso gehen. Man ist da einfach auch eitel, sieht man auch schon daran, dass es nicht so viele Fotos gibt, auf denen man sich selbst gefällt. Eine Zeitlang habe ich auch das Zeichnen von Tierportraits für die Öffentlichkeit angeboten - mit dem Ergebnis: Es gibt schon noch einen Markt für Portraits, auch menschliche. Ist ein beliebtes Geburtstagsgeschenk. Aber ich glaube, von dieser Art Portraits sprichst du nicht, oder?

HartzIV an sich finde ich deshalb nicht erstrebenswert, weil der Staat dann einen kompletten Einblick nicht nur in deine Finanzen (inklusive Ersparnisse) verlangt, sondern auch in die Finanzen deiner Eltern. Das ist für mich ein absolutes No-Go, dem Staat so viel über mich und die, die mir nahestehen, preisgeben zu müssen und ich würde es wirklich erst als allerletzte Möglichkeit in Betracht ziehen. Aber das muss jeder selbst wissen.
Glaub aber nicht, dass sie dich dann in Ruhe deine Malerei verfolgen lassen. Du bekommst dann Geld von denen, und die wollen dich lieber heute als morgen aus ihren Statistiken wieder raus haben, und so werden sie dich in alle verfügbaren Arbeitsmaßnahmen stecken wollen, die sie haben.
Ich sähe eher eine Möglichkeit, sich solange man Malen will, mit nem Halbtagsjob, Nebenjob oder so über Wasser zu halten.

Und ich halte es auch für bedenklich, zwei Jahre lang nix im Lebenslauf stehen zu haben und zu denken, danach einfach wieder an das Vorherige anknüpfen zu können. Nicht unmöglich, aber schwierig.

Andererseits wiederum kann ich dich auch verstehen, dass du raus willst aus dem Kaufmännischen, weil dein Herz für was anderes brennt. Ich habe selbst auch erst ne kaufmännische Ausbildung gemacht nach dem Abi, und dann aber noch Design studiert.

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Beitrag von WhiteLady » 30. Sep 2010, 22:37

Ich drücke dir auf jeden Fall alle Daumen, dass du deinen Weg finden wirst – das ist in meinem letzten Post zu kurz gekommen.
Und ich bin natürlich auch gespannt auf deine Arbeiten ;-) Nicht zu sehr dein Licht unter den Scheffel stellen - einfach zeigen!

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Beitrag von FastArt » 1. Okt 2010, 17:33

Hab mal ne Zeitlang als Karikatur und Portraitzeichner auf Festen und Festivals gearbeitet. Es
war für mich ein sehr stressiger Job. Zeitdruck, Leute labern einen von der Seite zu, technisch
muss halt alles passen damit sich der Kunde wiedererkennt. Gut, bei Portrait-aufträgen hat
man die Zeit und die Ruhe aber der Druck sitzt einem irgendwie ständig im Nacken. Man
hat immer Angst, dass es dem Kunden nicht gefällt, egal wie passend oder gut man es selbst
findet.

Kenne selber Leute die von Portraitmalerei leben. Nicht sonderlich reich werden, aber davon
leben können. Man muss da aber auf jedenfall einen Partner haben,
in Form einer Gallery oder wie du schon sagtest eine Arztpraxis, die deine Werke zeigt
und genug Werbung für dich macht. Grade die Arztpraxis wäre optimal. Ein paar
Werke aufhängen und Preis mit Kontaktdaten drunter packen. Laufen ja genug Leute
rein und raus. Am besten hängst du die Bilder dann noch im Raum für die privat Versicherten
auf :D ..
Kannst natürlich auch selber die Werbetrommel leuten
aber da muss man schon gute Ideen haben um in der Masse an Werbung heutzutage
überhaupt wargenommen zu werden.

Mir gehts da aber änlich wie dir. Ich will einfach nur von dem Leben was ich gerne
mache. Meiner Meinung nach, ist alles was man gerne machen will davon abhängig wie
sehr man daran glaubt. Ist jetzt ein wenig philosophisch und what ever aber bei mir wars
halt so. Wenn du das wirklich durchziehn willst dann musst du 100 Prozentig dahinter stehn
und dein Ziel genau anfixieren und dann BAAAMM :D

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Duracel
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Beitrag von Duracel » 5. Okt 2010, 00:01

Jo, Fastart hat ja schon ein paar Punkte erwähnt.

Grundsätzlich ist es aus meiner heutigen Sicht die falsche Frage, ob es für irgendwas 'nen Markt gibt oder nicht.
Für RedBull gabs auch keinen Markt - zumindest hat das u.a. CocaCola so gesehen. ;)

Grundsätzlich - Porträts malen können ist die eine Sache.
Porträts erfolgreich an den Mann bringen eine gänzlich andere. Das ist echt nochmal ein komplett neues Gebiet, von dem unsereins hier im Forum meist noch nichtmal eine Ahnung hat, wie umfangreich es ist. ;)


Mein Tipp wäre, wenn du gerne Porträts malst und damit deinen Lebensunterhalt verdienen willst, dann mach das!
Wenns nicht klappt, machst du mit hoher Wahrscheinlichkeit irgendwas falsch; da hilft dann nur umdenken und solange rumprobieren, bis es klappt. :)
Ziel ist, woran kein Weg vorbeiführt.

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Beitrag von ThomasVeil » 5. Okt 2010, 23:23

Das mit dem "Problem im Lebenslauf" dass WhiteLady anspricht, sehe ich nicht. Wenn da steht "2 Jahre von Fine-Art gelebt" dann kommt das doch eher positiv rueber IMO. Egal ob als Kaufman, oder Illustrator usw.
Aber ansonsten stimme ich ihr voll zu - auch sonst gute echt gute Antworten hier. Da kann ich nix Schlaueres zu sagen. Schreibe natuerlich trotzdem ;)

Ich probier mich selber grad daran vom traditionellen Malen zu leben. Portraits machen einen Grossteil der Arbeit aus momentan (Hab ein paar, Beispiele im Forum geposted). Von daher kann ich vielleicht ein bisschen dazu sagen (TobiasM hatte mich deshalb auf den Thread aufmerksam gemacht).

Wobei meine Sicht mit ner dicken Prise Salz zu nehmen ist: Ich lebe in Amsterdam. Da ist es vielleicht anders als in Dtl. - kann ich nicht sagen. Hab gehoert in Berlin isses einfacher. Und ich bin auch kein Experte - mache das erst seit nichtmal nem Jahr.

Pauschalantworten sind sowieso schwer zu geben. Es kommt immer auf dich an - manche haben weniger zeichnerische Skills, aber sind gute im Quatschen und Verkaufen. Andere haben gute Kontakte, oder auch nen sehr eigenen herausragenden Stil. Also hoere auf keinen der sagt "geht gar nicht".
Allgemein wuerd ich aber schon sagen: Alle Kuenstler die ich hier kenne und die von der Kunst leben tun das mit mit einem breiten Angebot (z.Bsp. auch das sie Malkurse geben) und sie tun das seit Jahren bis Jahrzehnten. Von daher wird es wie du beschreibst mit nur Portraits und ganz aus dem Stand heraus schwer.
Ich selber bekomme Kunstunterstuetzung - und mache noch nebenbei Videospiel-Freelancing. Sonst waere das gar nicht moeglich. So langsam lerne ich den Markt hier kennen, und die richtigen Leute - aber verkaufen ist immernoch schwer. Hab grad heute mit einer Kunstorganisation hier gesprochen, die meinten dass 5% der hollaendischen Maler es schaffen irgendwann davon voll zu leben.

Was du uebrigens als Portraits beschreibst ist wahrscheinlich der haerteste Bereich. Wenige Menschen haengen sich Portraits anderer Menschen ins Zimmer. Da musst du schon unglaublich gut sein - und wahre Tiefe reinbringen um die zu verkaufen.
Es ist waere eher ein Markt zu sagen "ich male ihr Portrait fuer X Euro". Das Interesse daran ist sehr gross - es ist einzig das Problem einen vernuenftigen Preis zu bekommen.
Man koennte vielleicht weniger verlangen als ich das tue. Ich kann durchaus verstehen das viele Leute Probleme haben so viel Geld fuer ein Bild auszugeben (ich selber koennte mir das ja auch nicht leisten). Aber wenn man davon leben will...

Von daher mein Vorschlag: Wenn du es probierst, dann tu es nebenbei. Probiere nen Job mit 3 Tagen pro Woche, so dass du leben kannst auch wenn du nix verkaufst. Dann hast du erstmal Zeit den Markt kennen zu lernen.
Wie das mit dem "ALGII-Stipendium" aussieht weiss ich nicht - kann mir vorstellen die gucken schon genauer hin ob du dich irgendwo bewirbst und ob du nicht noch dazu verdienst (was du ja eigentlich willst). Vielleicht suche nach Kunstunterstuetzung in Deutschland. Gibts sicher irgendwie.
Wie siehts aus mit Studieren? Das passt doch eigentlich ganz gut in deine Idee mehr zu lernen.

Stell dich eher breiter auf als nur Portraits. Du hast ja sonst schon die richtige realistische Einstellung. Wenn man dann am Ball bleibt - Tricks, Kniffe und Kundenwuensche lernt, sich nen Namen macht, besser wird und sich auch nicht von Durststrecken unterkriegen laesst, dann klappt das schon irgendwann. Da bin ich sicher (jedenfalls hab ich selber noch nicht aufgegeben ;)).

Auf meinem Blog schreib ich auch manchmal ueber meine Erfahrungen damit - zBsp. was ich von der ersten Austellung gelernt hab.
Zuletzt geändert von ThomasVeil am 10. Feb 2015, 13:54, insgesamt 1-mal geändert.

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