@Dura: Es heißt:
unerbittlich, nicht
unerbittert.
@Threadersteller und on topic: Da kann ich mich Kabukis Posting anschließen. Für einen Siebzehnjährigen malst Du schon ziemlich gut, die Chancen sollten daher, wenn Du
FLEISSIG arbeitest, für Deine Zukunft nicht ganz so düster aussehen, wie sie hier von manchen befürchtet werden. Ich kann nicht als glorreiches Beispiel für wagemutiges Rebellentum in der Jugend dienen, ich hab brav mein Abi gemacht und danach brav den Zivildienst und hab dann brav studiert... Aber daß so ein regelgemäßer Werdegang im Kunstbereich unbedingt sein müsse, bezweifele ich.
Die Frage ist: wie hart und durchsetzungsfähig und engagiert bist Du? Wenn man nicht die "üblichen" Wege gehen will, muß man über diese Merkmale verfügen. Mit hart meine ich: Wie kommst Du damit zurecht, eventuell über Monate und Jahre hinweg am Existenzminimum zu leben, immer mal wieder vor der Entscheidung zu stehen, Dir ein paar neue Bleistifte
oder eine Extradose Ravioli bei Aldi zu kaufen? Du beschreibst Dich auf Deiner Deviantart-Seite als "Artist, Gamer, Freak". Wie kämest Du damit zurecht, auf Gamer und Freak ein paar Jahre verzichten zu müssen? Denn das Gaming ist ein Zeitfresser hoch zehn (weiß ich aus eigener leidvoller Erfahrung) und somit der Feind Nummer eins einer Karriere als Artist. Und was "Freak" angeht... Wer sich selbst als Freak betrachtet, ist keiner. Freak- das ist entweder eine lobende oder abwertende Bezeichnung durch andere. Als Sechzehn- siebzehn-achtzehnjähriger hielt ich mich auch für einen Freak. Aber letztlich war ich nur ein Poser, meine Attitüden hielt ich für Style... Wenn man rackern muß für sein tägliches Brot, für die Miete, für den Strom, für die Krankenversicherung, für ein neues T-Shirt hier und da, und für die notwendige Neuanschaffung eines PCs oder einer wichtigen Software - dann hat man gar keine Kapazitäten mehr frei für's Freak-Sein.
Und dann ist es einem auch egal, ob einen die anderen Leute gerade cool finden. Das meine ich mit: hart.
Und darüber hinaus mußt Du halt engagiert sein. Ich hatte auf'm Gymnasium einen Mitschüler, der wuchs praktisch ohne seine Eltern auf. Seinen Vater hab ich nie kennengelernt, seine Mutter war nur an den Wochenenden daheim und kümmerte sich da dann eher um den Kirchenkreis als ihn. Aber er war talentiert und engagiert und hat während der gesamten Oberstufenzeit sich komplett der Musik gewidmet. Er dirigierte den Schulchor, er stellte in seiner Freizeit einen Frauenchor zusammen und leitete ein Blasorchester in der Kirche. In den großen Ferien arbeitete er die Sinfoniepartituren von Mahler und Bruckner durch, an den Sonntagen spielte er Orgel in der Kirche, und jeden Tag übte er wie bekloppt Klavier... Dem legten dann die Lehrer in der Oberstufe auch keine Steine in den Weg - jeder wußte: der Mike (so hieß er) wird eh mal Musiker und braucht das Abi nur, um Musik an einer guten staatlichen Hochschule studieren zu können. Ich war gut mit ihm befreundet, allerdings verbrachten wir so ab 10. oder 11. Schuljahr nur noch wenig Zeit miteinander - denn die war bei ihm wegen all seiner musikalischen Engagements extrem knapp bemessen. Als Pianist hat er später keine Karriere machen können, denn dafür hatte er zu spät angefangen (erst mit 13 Jahren, da haben andere schon ein Dutzend internationaler Wettbewerbe gewonnen), aber er arbeitet heute als Dirigent und leitet Sinfonieorchester...
Durchsetzungsfähig heißt: wenn Du weißt, was Du willst, dann suchst Du Dir den Weg zu Deinem Ziel. Dazu mußt Du aber wissen, was Dein Ziel ist. Und da liegt, so vermute ich, momentan der Hase im Pfeffer begraben: Dein Ziel scheint zu sein, weg von der Schule zu kommen, auf der Du gerade bist. Ob Du da jetzt Ärger mit bestimmten Lehrern oder Mitschülern hast, oder ob Dir da einfach die interessanten Fächer/Lehrangebote fehlen... Ob Du Dich unglücklich in ein Mädel verknallt hast und jetzt da einfach nicht mehr gerne hingehen magst... Wissen wir ja alles nicht. Aber "weg von hier" ist einfach keine gute Zielangabe. Denn das Motto "woanders ist das Gras immer grüner" ist ja eben ein ironisches Motto. Das Gras
scheint nur woanders immer grüner zu sein. Da, wo man selbst ist, ist für andere woanders.
Finde Dein Ziel, und überlege Dir dann, welche Wege Dich zu diesem Ziel bringen dürften. Wenn Dich diese Wege weg von Deiner momentanen Schule führen - voila, dann mußt Du von da eben weg. Das mußt Du selbst entscheiden. Für manche Leute ist es auch gut, wenn sie sich im Streit von ihren Eltern trennen - denn manche Leute brauchen solchen Streß als Antriebsmotor. (Aber ich nehme mal an, daß das nur für seeeeehr wenige Leute wirklich hilfreich wäre!) Was immer Du tust: tue es nicht aus einer Unlust mit der momentanen Situation heraus, sondern tue es aus Lust an einem klaren Ziel heraus. Negative Gründe sind schlechte Ratgeber bei Entscheidungsfindungen.
Wenn Du aber weißt, was Du willst, dann kannst Du damit auch ziemlich radikale Entschlüsse begründen. Duras "Heureka"-Erlebnis ist das mit seinen Zeichnungen und dem Kommentar von Henrik Fetz. Ich hatte vor ein paar Monaten ein andersgeartetes Aha-Erlebnis, nämlich als ich die biografischen Angaben las, die Michael Komarck von sich machte. Der ist ungefähr im selben Alter wie ich, und wir fingen auch ungefähr zur gleichen Zeit an, Kunst an einer renommierten Hochschule zu studieren. Während ich aber ein Langzeitstudent war und über 14 Semester an der Alma Mater rumgammelte, kam Komarck schon nach wenigen Monaten zu dem Schluß, daß er an der Kunsthochschule nicht genügend lernte. Also beendete er das Studium und begab sich in die freie Wirtschaft hinaus, um mit Illustrationen seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Wenn ich mir heute seine Sachen anschaue und die mit meinen vergleiche - dann weiß ich, warum meine so viel schlechter sind als seine...
Ich kann mir vorstellen, wie ihm damals alle abrieten: "Hey, schmeiß dein Studium nicht einfach so hin, sei doch froh, daß die dich da angenommen haben an der Hochschule, in die rauhen Gewässer der freien Wirtschaft und des Brotberufs wirst du schon noch früh genug geraten, nutze doch die Freiheit, die dir das Studium bietet!" Und das waren sicher keine schlecht gemeinten Ratschläge. Er aber wollte mehr erreichen, mehr tun, als es ihm an der Hochschule möglich war: er schmiß sein Studium nicht, weil er sich überfordert fühlte oder weil er zu faul war oder unglücklich verliebt - sondern weil er endlich
sein Ding machen wollte.
Und er hat sich durchgesetzt.
Mein Rat also: Überleg Dir, ob Du positiveoder negative Gründe hast, die Schule jetzt hinzuschmeissen. Wenn es sich um negative Gründe handelt - rudere lieber ein Stück weit zurück, versöhne Dich mit Deinen Eltern und reiß die Schule bis zum Abi ab. Denn hinderlich ist so ein Abi sicherlich nie.
Wenn Du positive Gründe hast, die Schule hinzuschmeissen, weil Du Dir sicher bist, woanders besser und schneller zu Deinem Berufsziel zu gelangen, dann laß Dich nicht von anderen ins Bockshorn jagen.
Aber informiere Dich über die konkreten Konsequenzen Deiner Entscheidung: wenn Deine Eltern Dich wirklich rausschmeissen, dann hast Du zwei Optionen: Entweder Du verbringst die nächsten Jahre damit, Deine Eltern auf Unterhalt/Unterstützung zu verklagen und kommst da vor lauter Streß nicht mehr zum Malen und zeichnen. Oder Du weißt, wo Du die Kohle für's Leben herbekommst. Wenn Du dafür einen "Nebenjob" (Kellnern, auf'm Bau malochen, Taxi fahren...) brauchst, wirst Du nicht mehr viel Zeit für Deine eigentliche "Karriere" mehr haben.
Überleg Dir das also alles genau im Voraus. Denn manche Brücken kann man, wenn man sie hinter sich abgebrochen hat, nur noch sehr schwar wieder errichten...
Amen.