Hallo Röntgen (ich nenne Dich jetzt einfach mal so als Kurzform)! Willkommen im Forum!
Ich finde, Du hast hier ein vorbildliches, quasi lehrbuchmäßiges Einstiegsposting gemacht, besser geht's kaum! Erstens ein paar Worte zu Deiner Person, zu dem, wo Du stehst und wo Du hinwillst. Und dann eine genügende Zahl an Arbeiten, aus denen sich deswegen schon einiges über Deine momentanen Skills, Stärken und Schwächen erkennen läßt. Sehr gut finde ich auch, dass Du zu den einzelnen Arbeiten ein paar Worte verloren hast: was Du bewirken wolltest und wo Du selbst die Probleme siehst. Genau so sollte ein Einstiegsposting aussehen!
Nun gleich in medias res. Mit Lob halte ich mich nicht lange auf, da Du ja, wie Du schreibst, ansonsten schon immer tüchtig gelobt wirst. Beschränken wir uns auf die (hoffentlich konstruktive) Kritik!
Du schreibst, dass Deinen Bildern immer irgendwas fehlt, was einen Außenstehenden auch wirklich anspricht. Was könnte das sein? Ansprechen tun immer zweierlei Dinge: einmal Inhaltliches - also eine spannende Geschichte, bzw. Situation, die so dargestellt ist, dass die Betrachter sich sofort zur Identifikations eingeladen fühlen. Ob die Geschichte überhaupt interessant ist - das ist nicht die Frage für ein Illustratorenforum, da geht es eher um "literarische" Werte. Deswegen will ich diese Seite erstmal beiseite lassen, auch wenn das sog. "Storytelling" durchaus wichtig für Illustratoren ist.
Zum zweiten geht's um das eycandy, die Schauwerte: geile Farben, krasse Kontraste, abgedrehte Kompositionen, zum Staunen bringede realistische Darstellung ("Das sieht aus wie in echt" - ist in der Regel ein großes Lob, vor allem von Laien ausgesprochen).
Und nun kannst Du ja schon mal überlegen, was des von mir Aufgezählten auf Deine Bilder zutrifft. Ich sag mal, was für mich bei Deinen Arbeiten am meisten fehlt: die krassen Kontraste. Vor allem bei Deinen nicht-digitalen Bildern verschenkst Du - durchaus wohl auch der Technik geschuldet - einen großen Teil des sog. Tonwertspektrums (das von Weiß bis Schwarz geht) und einen großen Teil des Sättigungsspektrums (das von null bis hundert Prozent Farbsättigung geht). Die zwei ersten Bilder, die wohl mit Guache oder vielleicht auch billiger Ölfarbe gemalt sind, haben an kompositorisch unwichtigen Stellen die dunkelsten Werte (die auch weit entfernt von einem satten Schwarz liegen), und beinhalten nirgendwo Weiß. Die Sonne bim oberen Bild ist zwar hell - aber naja, sie schwimmt da etwas in grünlichgelber Soße und zieht lediglich den Blick von dem zentralen Gebäude ab, welches vermutlich der Blickfang sein soll.
Als jemand, der selbst einiges an analogen Zeugs gemalt hat, kann ich Dir nur empfehlen, sehr darauf zu achten, dass nach dem Trocknen eines Bildes die Farben so "knackig" sind wie während des Malens. Sobald man nicht die teuersten und besten Farben/Pigmente verwendet, läuft es darauf hinaus, dass man solche Bilder eben nachträglich firnissen oder, im Fall von Kohle oder Kreidezeichnungen, fixieren sollte. Ansonsten wirken analog gemalte Bilder hinterher meistens matt (hat physikalische Gründe, die hier nicht näher erläutert werden sollen).
Also erstens: suche nach Mitteln, die Kontraste Deiner analog gemalten Bilder so knackig wie irgend möglich zu erhalten.
Zweitens: Kontraste allein reichen nicht - sie müssen auch an den richtigen Stellen sein, um so den Blick des Betrachters zu lenken. Überlege Dir genau, was das Zentrum Deines jeweiligen Bildes sein soll. Bei dem 2. Bild z.B. sehe ich sowas wie eine Brücke über die ein Auto (genauer kann ich da nichts erkennen) fährt. Vermutlich ist das der sog. "point of interest", also der interessanteste Punkt im Bild. Auf den soll der Blick gelenkt werden. Das kann auf unerschiedliche Weisen geschehen - die einfachste ist die, dass dort der Tonwertkontrast besonders hoch ist. Also z.B. könnte man den Hintergrund an der Stelle noch heller machen (helle Wolke? Scheibe der untergehenden Sonne?), um die Silhouette des Autos dort sich stark hervorheben zu lassen. Man bräuchte da das Auto gar nicht soooo dunkel zu halten, denn vor einer weiß strahlenden Form hebt sich auch schon eine moderat dunklere Form sehr klar ab.
Drittens: Bei den digitalen Kompositionen fällt auf, dass sie nicht besonders einheitlich wirken. Klar: man möchte alles mögliche ausprobieren und die Möglichkeiten sind endlos. Dennoch zeichnen sich auch digitale Kunstwerke durch Einheitlichkeit aus. Einheitlichkeit, was die graphischen Gestaltungselemente angeht, Einheitlichkeit, was eine stimmige Beleuchtungssituation angeht und so fort. So fallen die Polygonberge und der Sternenhimmel des einen Bildes komplett auseinander. Zwichen ihnen kommt kein Bezug zustande, die Berge wirken wie ausgeschnitten und beliebig über irgendein Hubble-Teleskop-Foto drübergelegt. Bei dem drei-andalusische-Hunde-Bild hast Du zwar ausprobiert, eine stimmige Lichtsituation zu erzeugen - bist dabei aber gescheitert, weil Du Dich noch nicht genügend mit Lichtdarstellungen, Schattenwurf usw. auseinandergesetzt hast. Mal so als Beispiel: wenn wir drei leuchtende Straßenlampen haben, dann wirft jeder der Lampenmasten drei Schatten, nicht nur einen...
Viertens: Natürlich fehlt Dir vor allem das, was allen Anfängern fehlt: Übung!
Dazu kann man wenige Tipps geben, ausser: Zeichne viel, zeichne mehr, zeichne immer und wenn Du damit fertig bist, zeichne weiter. Diesen Tipp kriegt man als Anfänger von allen Seiten immer wieder um die Ohren gehauen und ich weiß, dass man manchmal dazu tendiert, störrisch zu reagieren, wenn einem alle immer wieder dasselbe sagen. "Glauben die, ich hab Alzheimer, dass sie mich immer wieder damit nerven?!" Später wirst Du dann bemerken, dass Du doch zu wenig gezeichnet hast. Ich kenne nur seeeeehr wenige Leute, die zurecht von sich behaupten dürfen, sie würden genug zeichnen (ich gehöre nicht dazu *schäm*).
Aber ich werde vielleicht besser etwas konkreter: übe Dich insbesondere im gegenständlichen "realistischen" Zeichnen und mache beispielsweise viele perspektivische Zeichenübungen. Denn Du scheinst mir dazu zu neigen, Landschaften, größere Szenerien, neudeutsch: environments zu malen. Und da ist dann vor allem die Beherrschung der Perspektive sehr, sehr wichtig (zu der gehört auch alles, was mit Licht und Schattenwürfen zu tun hat).
Fünftens: Wenn ich Dich richtig verstanden habe, so bist Du mit dem letzten Bild besonders unzufrieden. Du wolltest da locker was hinsketchen, hast aber am Ende stundenlang dran gesessen und das Ergebnis überzeugt Dich nicht.
Neben den schon genannten Punkten (es fehlen zielgenaue Kontraste und eine stimmige Perspektive, welche gerade hier besonders wichtig wäre) fällt mir eins auf: die scheinbar nicht stattgefunden habende Recherche-Arbeit. Wenn Du so eine Situation mit vielen technischen Geräten, mit Röhren, Kabeln etc. darstellen willst, die wohlmöglich auch noch in ein dramatisches Licht getaucht ist - dann solltest Du nach Referenzbildern recherchieren. Das macht jeder, auch die allerbesten Profis machen das (gerade die!). "Aus dem Kopf" sich sowas auszudenken, kann man als erfahrener Profi mal machen. Aber das sind dann bei diesen Profis eher so Entspannungsübungen, ein zufällige Drauflosgewurschtel, bei dem vielleicht was rauskommt - vielleicht aber auch nix.
Bei einem Anfänger kann dabei kaum was herauskommen, weil man da noch nicht diese riesige Referenzen-Bibliothek im Kopf hat, wie das bei Profis der Fall ist. Diese Bibliothek an Referenzbildern muß sich über die Jahre hinweg im Kopf ansammeln - und bis dahin bist Du gut beraten, Dir im Zweifelsfall lieber ein paar Bilder zuviel als Anregung zusammenzusuchen, als mit zu wenig Vorlagen "in der Luft hängen" zu bleiben.
Übrigens zeigt dieses Bild auch, dass Dir die Übung bei der Darstellung von Menschen fehlt. Neben den perspektivischen Zeichenübungen würde ich also an Deiner Stelle das Zeichnen von Figuren (Menschen, auch Tieren...) als zweiten Schwerpunkt wählen, um schnell voranzukommen.
Übrigens: wenn Du unterwegs bist und da also eher analog als digital zeichnest: wähle Stifte, die wirklich starke Kontrastunterschiede zulassen. Verzichte vielleicht ganz auf Bleistifte oder wenn, dann nimm weiche Bleistifte, denn harte Bleistifte lassen es einfach nicht zu, dass man dunkle Tonwerte erzielt. Für aufwendigere Sachen oder Sachen, die Du daheim machst, nimm statt des Bleistifts lieber die Holzkohle (gern auch in gepresser Form als Holzkohle-Minen, die man in Minenstiften einsetzen kann) und fixiere Deine Zeichnungen. Für unterwegs besorge Dir vielleicht einen Brushpen oder verwende Kugelschreiber oder Fineliner. Es geht darum, rasch wirklich dunkle Bildpartien erzielen zu können. Immerhin hat man unterwegs häufig nur wenige Minuten, manchmal nur ein paar Dutzend Sekunden, um etwas zu zeichnen, was einem auffällt. Da ist ein harter Bleistift einfach ein Malmedium, das dem im Wege steht.
Letzter Tip: Wenn Du anfängst, ein etwas aufwendigeres Bild zu fabrizieren, egal ob analog oder digital: Mache Dir am Anfang klar, was das werden soll. Formuliere es aus, sage Dir laut vor, was Du vorhast: "Ich möchte eine Kuh zeichnen, die mit der Zunge an ein Bahngleis getackert wurde. Wichtig sind dabei der Farbkontrast zwischen dem Blut aus der Zunge, dem Grün des Grases neben dem Bahngleis und der braungefleckten Kuh." - "Ich möchte die sanfte Berühung zeigen, mit der das Mädchen dem Jungen von hinten über die Schulter streichelt. Das Ganze soll eine Gegenlichtsituation sein." - "Ich möchte einen Mechaniker zeigen, der versucht, das Triebwerk einenes Raumschiffes zu reparieren. Dabei sieht man nur die Unterseite des Raumschiffs und neben ein paar farbigen Dioden wird das Licht vor allem durch die Funken seines Schweißgeräts erzeugt, die sich auf dem schmutzigen Metallfußboden spiegelt. Grafisch dominierend sind die vielen unterschiedlichen Reflexe auf Metall- und Kunststoffoberflächen". - "Ich möchte eine verlassene postapokalyptische Landschaft zeigen, in der sich ein nomadischer Händler unter einem Schiffswrack zusammenkauert, bis der Sandsturm nachgelassen hat. Grafisch vorherrschend sind die nach hinten hin immer stärker vom Sand verwasschenen räumlichen Ebenen, ineinander verlaufende braungelbliche Tonwerte - die kontrastiert werden durch die monumentale, düstere Silhouette des Schiffswracks. Detailliert gezeichnet werden nur die Hand und das halb von einem Tuch verdeckte gesicht des Händlers, der eine Pfeife raucht, aus der leutender bläulicher Dampf aufsteigt."
Vermutlich hast Du, als Du diese Beispiele gelesen hast, schon sofort Bilder vor Augen gehabt. Und die brauchen nun nurnoch gemalt werden. Verstehst Du, was ich meine?
Je präziser Du vorher formulierst, was genau zu sehen sein soll, welches die hauptsächlichen Farb- oder Lichtideen sind, welche grafischen Elemente (Linien, Punkte, Kratzer, Flächen, Verläufe...) vorrangig eingesetzt werden - desto einfacher ist es dann "bei der Sache zu bleiben". Wenn Du Dir darüber hinaus die Idee vorher aufschreibst, kannst Du sie am Ende mit dem Ergebnis vergleichen..