das Semester ist nun auch für mich endlich vorrüber und ich will euch nicht vorenthalten wesshalb ich hier so selten aktiv war; mal abgesehen vom Artbattle, der muss eben einfach sein.
Wirklich toll das wir jetzt diese Rubrik hier haben, um ganze Projekte vorzustellen und um auch darüber diskutieren zu können.
Glücklicherweise hat sich dieses Semester nach langem anfänglichen Drunter und Drüber doch noch ein Illustrationsprojekt bilden können. Ich war zu dem Zeitpunkt schon voll in ein Typografie-Projekt involviert als Gerüchte über ein neues verspätetes die Runde machten, bei welchem es nicht nur um Illustration sondern auch um Literatur ginge. Illustration ist derzeit an der Bauhaus Uni hier in Weimar leider etwas rar gesäht, daher war ich auch umso neugieriger. Als ich dann online die Beschreibung des Projekts las war ich sogleich Feuer und Flamme. Einen Tag später hatte ich mich auch schon dafür eingeschrieben und habe dafür Typo sausen lassen. Das ich in letzterem einen riesen Batzen an Nachholebedarf habe war mir klar, aber diese Chance wollte ich mir nicht entgehen lassen.
So lautete die Beschreibung vom Projektleiter Franz Zauleck einem berliner Illustrator:
So fing es an:Angehende Kommunikations- und Grafikdesigner sind eingeladen, die Schichten und Subtexte, die zeitgenössischen und aktuellen Bezüge eines vorgegeben Textes offenzulegen und, im Verhältnis zur Schrift, in Bilder und Formen zu übersetzen.
Alle Teilnehmer des Projektes arbeiten unter vergleichbaren Bedingungen: sie bewegen denselben Gegenstand, die Arbeiten haben das gleiche Format, die Arbeit beginnt und endet zum selben Zeitpunkt. Der damit einher gehende Wettbewerb, das Erlebnis, dass es so viele Lösungsmöglichkeiten wie Teilnehmer gibt, führt erfahrungsgemäß zur anregenden Vernetzung von Erfahrungen.
Der Begriff „Illustration“ wird – im Verständnis seiner ursprünglichen Bedeutung (illustratio/Erleuchtung) – weit gefasst; Kriterium ist die Erleuchtung des Textes auch unter Zuhilfenahme von metaphorischen, grotesken und verfremdenden Mitteln. Die Komplexität des Textes erlaubt, wenn es der individuelle Ansatz erfordert, sich ihm fragmentarisch zu nähern. Bedingung hierbei ist, dass sich im Fragment das Ganze spiegeln muss.
Beim ersten Treffen und Kennenlernen erfuhren wir womit wir es textlich zu tun bekommen würden. Mit einem Fragment von Franz Kafka mit dem Titel "Der Kurier des Czaren".
Hier der Originaltext:
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Franz Kafka: Der Kurier des Czaren 1)
Ein Reiter ritt auf einem Waldweg, vor ihm lief ein Hund. Hinter ihm kamen paar Gänse, ein kleines Mädchen trieb sie mit einer Gerte vor sich her. Trotzdem alle vom Hund vorn bis zu dem kleinen Mädchen hinten so schnell als möglich vorwärtseilten, war es doch nicht sehr schnell, jeder hielt leicht mit den andern Schritt. Übrigens liefen auch die Waldbäume zu beiden Seiten mit, irgendwie widerwillig, müde, diese alten Bäume. An das Mädchen schloss sich ein junger Athlet, ein Schwimmer, er schwamm mit kräftigen Stößen, den Kopf tief im Wasser, denn Wasser war wellenschlagend rings um ihn und wie er schwamm, so floß das Wasser mit, dann kam ein Tischler, der einen Tisch abzuliefern hatte, er trug ihn auf dem Rücken, die zwei vordern Tischbeine hielt er mit den Händen fest, ihm folgte der Kurier des Czaren, er war unglücklich wegen der vielen Menschen die er hier im Wald getroffen hatte, immerfort streckte er den Hals und sah nach wie vorn die Lage war und warum alles so widerwärtig langsam gieng, aber er mußte sich bescheiden, den Tischler vor sich hätte er wohl überholen können, aber wie wäre er durch das Wasser gekommen, das den Schwimmer umgab. Hinter dem Kurier kam merkwürdigerweise der Czar selbst, ein noch junger Mann mit blondem Spitzbart und zartem aber rundbäckigem Gesicht, das sich des Lebens freute. Hier zeigten sich die Nachteile so großer Reiche, der Czar kannte seinen Kurier, der Kurier seinen Czaren nicht, der Czar war auf einem kleinen Erholungsspaziergang und kam nicht weniger schnell vorwärts, als sein Kurier, er hätte also die Post auch selber besorgen können. Allerdings [...] der fremden Post die Nerven ruinierte, [...] daß er 2)
Text aus dem Nachlass „Konvolut 1920“ (2. Halbjahr 1920)
1) Wortlaut, Schreibung und Interpunktion folgen der Handschrift Kafkas
2) Das Ende ist durch Abtrennung des oberen Blattrandes verlorengegangen
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Wir trafen uns nun immer Montags mit Herrn Zauleck um uns gegenseitig zu inspirieren Konzepte zu finden, Skizzen zu machen und illustrierte Bücher zu wälzen. Wir waren aus völlig unterschiedlichen Jahrgängen, der Großteil der Teilnehmer waren Teilnehmerinnen aus den höheren Semestern die hier schon das ein oder andere Illu-Projekt gemacht hatten.
In dieser Zeit füllten sich meine Skizzenbücher sehr rasch und ich hatte zahlreiche miteinander konkurrierende Konzepte im Kopf für dieses Buch. Auch Experimente mit bisslang von mir ungeliebten Medien kamen vor.
Nun hatte ich haufenweise Wege beschritten, wusste aber nicht genau auf welchem ich nun bis zum Ende gehen könnte. So entschloss ich mich mir selbst Grenzen für die Umsetzung zu setzen sodaß ich in der kurzen Zeit auch schnell vorwärts kam und nicht stetig verführt würde in andere Richtungen abzuschweifen.
So wollte ich nun auschließlich analog und in schwarz/weiß arbeiten, auch um dem richtigen Zeichnen wieder näher zu kommen, aber auch um zügiger arbeiten zu können als mit Farben. Des weiteren nahm ich mir vor das fragmentarische der Geschichte mit Panels zu assoziieren, welche Ausschnitthaftes der Charaktere preisgeben. Um die Grenzhaften Linien dieser kleinen Bildchen wollte ich große Charaktere erschaffen die allein mit ihrer Gestalt und ggf ihrem Schatten Raum erzeugen. Des weiteren wollte ich dem Fragment zu einem Ende verhelfen, zu einem eigenen Ende. Soweit die Vorsätze.
Hier ist nun meine Umsetzung des Buches:

























Das echte Buch habe ich aus Zeitgründen nicht nocheinmal eingescannt, sondern ledeglich eine gescannte Buchtextur über die Doppelseiten multipliziert, ich hoffe ihr seht mir das nach. Ich kann aber versichern das die 3 Exemlare die ich davon hab anfertigen lassen den gleichen Inhalt aufweisen.

So sieht es übrigens fertig gebunden aus. Den nassen Hund habe ich selbst auf den Buchbinderleinen gesiebt. Das einzige was nun noch fehlt ist ein passender Schoneinband.

So nun wäre ich natürlich sehr erfreut Eure Gedanken, Meinungen und Anregungen zu meinem Projekt zu hören.
Vielen Dank für Euer Interesse.
Euer Syrus
