jaymo hat geschrieben:@chinasky: Ich habe Mühe einen Artbattlebeitrag als Kunst aufzufassen, denn er hat letztlich doch mehr mit Illustration im Sinne von Gebrauchsgrafik und Entertainment zu tun und steht nicht als Werk für sich selbst.
Dann haben wir wohl einen unterschiedlichen Kunstbegriff. Hier im Artbattle kann ich übrigens keine "Gebrauchsgrafik" erkennen - es sei denn, man verbucht eine Art "Selbstvermarktung" der Teilnehmer schon unter "Gebrauch". Das würde aber auch jeden Künstler, der jemals an Wettbewerben teilnahm, zum Gebrauchsgrafik-Hersteller und Nicht-Künstler machen. Beispielsweise Max Ernst, der mal in einem "Illustrations"-Wettbewerb (Thema war die "Versuchung des Heiligen Antonius") gegen Dali gewann...
Ziel ist es hierbei schließlich, vorrangig mit Schauwerten seinen Kontrahenten zu übertreffen.
Dann würde immer derjenige gewinnen, der mehr Eyecandy bietet. Dem ist aber m.M.n. nicht so: der Inhalt zählt eben auch. Ich erinnere mich nur allzu schmerzhaft an mein letztjähriges Ausscheiden gegen ElementZero, wo ich an Schauwerten sicherlich gleichlag, von der inhaltlichen Idees meines Gegners allerdings ausgeknockt wurde. Das Ziel wird übrigens als Aufgabenstellung von Jahgringoo so formuliert:
- Zeichnet einen Beitrag, der auf irgendeine Weise illustriert, wie ihr euren Gegner zerdeppert, pulverisiert, verhohnepiepelt, in Grund und Boden stampft, foppt oder sonst wie vernichtet.
Der Gegner soll "in Grund und Boden gestampft" werden. Dazu reichen keine Schauwerte, sondern dazu braucht es auch eine gute Idee, eine Aussage. Und wenn wir uns unter diesem Aspekt den Beitrag vom Dreamteam angucken, dann haben sie ja wohl die Aufgabe bestens erfüllt: Der Gegner, Herrmanns Mönch, wir als das allerletzte Drecksschwein dargestellt, als das, was in unserer Gesellschaft am meisten verachtet wird: ein Konsument von Kinderpornographie. Und nicht nur dies - das Heldenduo des Dreamteams schickt sich an, diesen miesen Hund zu "überführen" und dann auch gleich mal fies zu strafen. Wo genau liegt also das Problem? Daß das Thema Kinderpornografie überhaupt erwähnt wird? Sorry - aber das ist tagtägliches Thema in den Medien. Wird hier Partei ergriffen für den Kinderpornografie-Konsumenten? Nein, der ist ja gerade der Gegner, welcher besiegt werden soll.
Nun könnte man einwenden, daß hier das Thema zu leichtfertig behandelt werde, daß der Kinderpornografie-Konsument nur als Witzfigur gezeigt und daher "verharmlost" werde. Diese Art der Kritik kann ich persönlich nicht nachvollziehen - das Darstellen gerade der schlimmsten Verbrecher als Witzfiguren wurde als künstlerische Umsetzung von wirklich vielen großen Künstlern quer durch alle Genres als Stilmittel verwendet. Man denke nur an Charlie Chaplins "Der große Diktator", oder an Helge Schneiders "Adolf"-Film. Nun will ich einen Artbattlebeitrag nicht mit solchen Werken auf eine Stufe stellen - aber es geht ja darum, ob es überhaupt prinzipiell sinnvoll ist, "humoristische" Thematisierung von schlimmen Verbrechen sich zu untersagen.
Bist Du wirklich der Ansicht, daß mit so einem Artbattle-Beitrag die Akzeptanz für Kinderpornografie-Konsumenten bei uns Publikum verstärkt wird?
Bei mir war es so, daß ich zuerst loslachen mußte - und dann ein wenig über meine Reaktion erschrocken war, die nämlich eine aus dem Bauch heraus lachende Zustimmung zu den "Schwanz-ab!"-Forderungen der Stammtische war. Obwohl ich eigentlich , sozusagen offiziell, die Linie vertrete, daß auch Vergewaltiger, Mörder und Kinderschänder immer noch zu den Menschen zu zählen sind und damit über bestimmte Menschenrechte wie das der körperlichen Unversehrtheit verfügen. Der Artbattle-Beitrag zeigte also zumindest mir, daß unter meinem "aufgeklärt-humanistischen" Lack auch noch ein recht archaisch empfindender Kern liegt - und allein dieser kleine Tacken Selbsterkenntnis, den ich dem Beitrag zu verdanken habe, adelt ihn für mich zur Kunst, deren vornehmste Aufgabe es m.M.n. nämlich ist, uns etwas über uns selbst zu erzählen.
Genau aus diesem Grund finde ich persönlich die Wahl des Sujets hier fragwürdig. Vielleicht spielt ja auch eine Rolle, dass ich eine Tochter von zweieinhalb habe (von wegen triggern).
Das finde ich interessant. Erlaube mir also, mal nachzufragen: Ist etwas, das Du fragwürdig findest, denn nun abzulehnen - oder heißt das nicht erstmal, daß man hier zum Fragen angeregt wird?! Was genau ist es, daß Dich da abstößt? Willst Du nur einfach in diesem Rahmen nicht an die Gefahr erinnert werden, in welcher jedes Kind auf der Welt immer potentiell sich befindet? Oder findest Du, anders als ich, daß hier Kinderschändung positiv-lustig, gemütlich, empathisch dargestellt wird?
Es geht ja auch nicht um den Wunsch eines Verbotes, sondern um den Ausdruck der persönlichen Meinung, dass man das nicht wirklich gut findet.
Einverstanden. Aber diese persönliche Meinung wurde - nicht von Dir, aber z.B. von Dario und noch viel extremer von Obst_on_the_run doch für mein Empfinden mit einem Ton des moralischen Vorwurfes vorgebracht. Obwohl es tatsächlich doch nur um unterschiedliche Geschmäcker, was den Humor angeht, ging. Denn der Nachweis, daß das Dreamteam hier Werbung für Kinderschändung gemacht habe, konnte ja wohl bislang nicht geführt werden, oder? Die einen finden so einen Beitrag witzig, also "Geschmack" an ihm. Die anderen finden ihn geschmackslos. "De gustibus non est disputandum.", sagten schon die alten Lateiner. Über Geschmack läßt sich nicht (bzw. nicht mit zu erwartendem Ergebnis) streiten.
Das ist auch okay so und jeder soll seinen Geschmack haben und über die Witze lachen, die er lustig findet. Jemandem aber einen moralischen vorwurf daraus zu machen, daß er über etwas lacht, was ich nicht lustig finde - das ist schon wieder eine ganz andere Ebene der Kommunikation. Da sollte man denn schon, so meine ich, etwas stringenter darlegen, warum es sich um eine moralische Verfehlung handelt, über einen bestimmten Witz zu lachen. Das so eine Darlegung durchaus möglich ist, läßt sich leicht am Beispiel diversester rassistischer, insbesondere antisemitischer Witze zeigen, ich will hier also nicht den Eindruck erwecken, ich würde generell für jede Boshaftigkeit, über die manch einer lachen kann, die Kunstfreiheit bemühen.
Darüberhinaus habe ich momentan keinen weiteren Diskussionsbedarf in dieser Sache, weshalb ich mich lieber nochmal hier im thread dazu äußere. Eine wirkliche Diskussion zum Thema "Gewalt & Pornografie in Medien & Kunst" oder so ist dann im offtopic vermutlich wirklich besser aufgehoben.
Inzwischen, da die Abstimmung eh so gut wie durch ist, denke ich, daß die Diskussion auch hier stattfinden kann - anhand konkreter Beispiele läßt sich immer viel besser argumentieren als im abstrakten Raum des "Allgemeinen". An so einer allgemeinen Diskussion habe ich eigentlich auch überhaupt kein Interesse, darüber hab ich schon viel zu häufig und müßig mir mit anderen Leuten die Köpfe heiß geredet. Mir ging es hier eigentlich eher um das Miteinander in der DAF-Community, wo ein Battle-Teilnehmer sich plötzlich moralisch für etwas verantworten sollte, das in meinen Augen erstens moralisch einwandfrei und zweitens darüberhinaus auch noch handwerklich (was das Illustrationshandwerk angeht) vorbildlich war.