Das Paradiesgärtlein - Kompositionsanalyse

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Marsupilama
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Das Paradiesgärtlein - Kompositionsanalyse

Beitrag von Marsupilama » 24. Jan 2009, 22:10

Hallo allerseits,

wir haben in unserem Kunstunterricht die ganz tolle Aufgabe bekommen eine Kompositionsanalyse für das Paradiesgärtlein zu schreiben. Nun ist es leider so, dass ich was die Komposition von Bildern angeht so gut wie keine Ahnung habe. Nur halt eben so standardzeuch wie Diagonalen schaffen Dynamik, Dreieck stabilität und Kreise Ordnung blabla. Das Paradiesgärtlein ist da aber leider etwas komplexerer Natur, weswegen ich mich über ein bisschen Hilfe freuen tät, da ich grad echt ein wenig überfordet bin :? . Hab bisher mal nur markante Formen eingezeichnet aber keinen Plan wies weitergehn soll.
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Tobias-M
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Beitrag von Tobias-M » 25. Jan 2009, 01:33

Oh, das ist eine sehr schöne Aufgabe.
Besonders, weil das Bild aus einer so frühen Zeit stammt…
… ich habe nämlich das Gefühl, der Maler hat gar nicht wirklich eine das ganze Bild einbeziehende Bildkomposition ansgestrebt, wahrscheinlich war ihm der Gedanke damals noch völlig fremd (ebenso wie Perspektive). Seinerzeit war ein Bild ja in erster Linie dann besonders gelungen, wenn dem Maler besonders teure Farbtöne zur Verfügung standen, von daher denke ich, dass es in erster Linie darum ging, eben diese herauszustellen.

Ich denke, das Bild lässt sich eher mit Vergleichen zu Vignetten aus der Buchmalerei vergleichen, nur, dass hier 5–6 Vignetten zu einem einzelnen Großen Bild zusammengefasst wurden. Die einzelnen Szenen interagieren ja gar nicht miteinander, sondern existieren nebeneinander her. Man könnte fast Comic-Panels draus machen, indem man ein Grid einzieht.

Ich denke deshalb, es gibt gar keine bewusst herbeigeführte Gesamtbildkomposition, die die Einzelteile zusammenführt (bestenfalls Helle Mauer und dunkles Gras als Hintergrund für die Einzelszenen), sondern nur Mini-Unterkompositionen der einzelnen Gruppen (Kreise und Dreiecke hast Du ja perfekt erkannt). Aber keine Komposition der Gesamtfläche; alle Elemente werden gleichmäßig behandelt und stehen fast gleichberechtigt nebeneinander. Lediglich die Lesende scheint mir herausgehoben zu sein und Hauptperson, was wahrscheinlich an ihrer Gesamtfläche, ihrer Symmetrie und ihrer Bildposition liegt (sitzt am höchsten, hat am meisten Raum um sich).

Ich denke, das Bild ist ein Beispiel dafür, wie Künstler früher versucht haben, Bilder zu hierarchisieren, als ihnen ausgefeiltere Mittel der Gesamtkomposition noch weitestgehend unbekannt waren. So mussten sie die Blickaufmerksamkeit noch mit etwas anderen Mitteln lenken als man es später konnte.

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Marsupilama
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Beitrag von Marsupilama » 25. Jan 2009, 09:46

Hey danke für die ausführliche Antwort Tobias, das hatte ich noch garnicht bedacht. Fände es nett, wenn du da vlt. ein bisschen ausführlicher werden könntest, da ich mich im Bezug auf die Farbgeschichte auch nicht so gut auskenne. Nur denke ich mir wenn man sich beispielsweise Bilder aus der Frührenaissance ansieht, waren blau und rot nicht unüblich in Bildern, deswegen wage ich zu bezweifeln das sie zu den besonders teuren Farbtönen zählten (Ich dachte bisher immer das wäre purpur oder so).

Interessant finde ich auch deinen Ansatzt das dem Künstler Komposition und Perspektive unbekannt waren (leider weiß man nicht von wem das Bild stammt und hat somit auch keine vergleichswerke). Das hat mich darauf gebracht dass ihm Komposition vlt. wirklich nicht so wichtig waren. Wenn man bedenkt das das Bild im Originalen etwa 26 x 33 Zentimeter misst, so ist dies eine ungeheure technische Leistung, z.B. die Haare hätte er mit einzelnen Borsten malen müssen. Das könnte man dann vlt. mit heutigen Spielen vergleichen die zwar oft ne bomben Grafik haben, aber spieltechnisch hinterherhinken...

Was damals mMn auch sehr wichtig war, ist das Geschichtenerzählen mit Bildern. Für uns heutzutage ist es einfach nur ein nett gemaltes Bild, doch der Betrachter früher hat die Figuren vermutlich sofort identifiziert und ihnen Geschichten zugeordnet. Leider habe ich keine wirklichen Quellen die die behauptung stützen, also falls sich wer damit schon genauer auseinandergesetzt hat immer nur her mit ner Antwort :)

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IronCalf
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Beitrag von IronCalf » 25. Jan 2009, 10:33

TobiasM: Mit der Perspektive gebe ich dir recht, aber ich denke, nein, eigentlich nicht ich, sondern Rose-Marie & Rainer Hagen in "Meisterwerke im Detail" Band 1 denken, dass da noch viel mehr in dem Bild steckt.

Marsupilama: Ich fotografier (kein Scanner im Moment) dir die Seiten mal raus... PM oder mail mir deine E-Mail Adresse - sie steht nicht in deinem Profil.
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Beitrag von Tobias-M » 25. Jan 2009, 11:45

war auch estmal nur so ein persönlicher ersteindruck, was meinen denn die autoren?

ich hab hier den noch gefunden: http://www.imak-kevelaer.de/imak_pdf/Ma ... t_2005.pdf

darin werden sämtliche bildelemente als symbole für aussagen und bedeutungen interpretiert; zudem wird das phänomen des nebeneinanders der szenen betont (und mit einer zeitlichen wie liturgischen abfolge erklärt).

das bestätigt mich bisher in meiner spontanen ansicht, das bild sei nicht im hinblick auf eine visuelle gesamtwirkung komponiert worden, sondern wahrscheinlich eher nach anderen gesichtspunkten - in dem fall also ne erzählung bzw. laut pdf ne art meditiations- und gläubigkeitsansporn. und je mehr ich über diese faktoren nachdenkre, desto sicherer bin ich mir, dass damals bilder wesentlich weniger nach kompositionsregeln heutiger zeit zusammengestellt wurden. deshalb finde ich die aufgabe ja so cool: man versucht, mit modernen kompositionsregeln ein mittelalterliches bild zu erschließen, muss damit aber scheitern, umdenken und neue erklärungen suchen. pädagogisch brilliant. :)

zu den farben: indigo als blau war ziemlich teuer und halt purpur, ich glaube in kombination, wenn ich mich recht erinnere, wurden sie immer so von der gottesmutter getragen. müsste man rausfinden, welche farben hier verwendet wurden. aber diese info hier ist mit vorsicht zu genießen.

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Beitrag von IronCalf » 25. Jan 2009, 12:23

Naja, sie geben dir im großen und ganzen eh recht. Ich hab den Text jetzt nur mal überflogen.

zur Farbe: ja, (ultramarin) blau war am teuersten, da es aus Lapislazuli gewonnen wurde/wird. Daher hat die Gottesmutter in früheren Darstellungen noch keinen blauen Umhang, der kam erst mit den wohlhabenden Auftraggebern ins Spiel.
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Beitrag von oleg » 26. Jan 2009, 12:37

Sorry Leute, das Bild hat eine klare Gesamtkomposition & es wundert mich, dass keiner es erkannt hat.

Es gibt eine deutliche zentrale vertikale Achse durch die Köpfe von Maria(?, jedenfalls die Frau mit der Krone) und dem Kind. Alle wichtigen Bildelemente sind an 3 Punkten entlang dieser Achse ausgerichtet - dem unteren Bildpunkt, dem Kopf des Kindes und Marias Kopf.

Hier das Overpaint zur Verdeutlichung:
Bild
Zuletzt geändert von oleg am 26. Jan 2009, 13:19, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitrag von weasel » 26. Jan 2009, 13:09

Versteh ich irgendwie nicht.

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Shorty
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Beitrag von Shorty » 26. Jan 2009, 13:32

ich auch ni...

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Beitrag von oleg » 26. Jan 2009, 13:55

Nochmals die Erklärung (vielleicht verständlicher) :

Es geht darum, wie die Personen (Körperhaltungen und Blicke) & die Gegenstände positioniert und ausgerichtet sind.
Sie orientieren sich alle an "Strahlen", welche von 3 Punkten im Bild ausgehen - dem Kopf der obersten mittleren Frauenfigur; dem Kopf des Kindes; dem Bildmittelpunkt an der unteren Kante. Diese 3 "Zentren" wiederum liegen auf einer vertikalen Achse.

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Beitrag von artvandeley » 26. Jan 2009, 17:46

Ich bin da ganz Olegs Meinung, die Zahl 3 böte sich schon allein deswegen an, weil die Verherrlichung Gottes (und der damit einhergehenden Dreifaltigkeit) oberstes und einziges Ziel der Malerei überhaupt war. Es ging mitnichten darum Spannung zu erzeugen oder das Bild interessanter zu gestalten (süss ^^) , vielmehr wäre jede Kunst ohne diesen Zweck eitler Tand, weltlich und damit unwürdig. Der Künstler als Person und als die Quelle eines schöpferischen Prozesses wurde erst später "erfunden". Letztendlich hätte kein Künstler damals gewagt sich öffentlich gegen die göttliche Ordnung zu stellen, die in der Kunst den Menschen zugänglich gemacht werden sollte(und weswegen er überhaupt malen durfte...)

Ich hab Olegs Komposition noch etwas ergänzt, obgleich seine 3 Zentren einen guten Zugang bilden.
Letztendlich geht es nur um das Kind selber, dass innerhalb eines Dreiecks (Dreifaltigkeit) und davon umgebener weiterer Dreiecke das Zentrum bildet. Das erste Dreieck ist somit die Abgrenzung, die sich thematisch im Bild in Form einer Mauer präsentiert.
Die Botschaft ist also in etwa "Innerhalb eines festen Glaubens ist die Harmonie und Perfektion unberührbar".

Natürlich ist da noch jede Menge Symbolik in Bezug auf die Pflanzen (oberste Reihe)oder Farben mit drin, die ich aber zu faul bin nachzuschauen oder mich dran zu erinnern.
Etwas irritiert bin ich davon, dass das Teil nicht ganz symmetrisch ist. Ich kann´s mir nur dadurch erklären, dass der Künstler das per Hand komponiert hat.

Aber vielleicht deutet es nur darauf hin das ich hier Unsinn rede und es in Wirklichkeit was ganz anderes damit auf sich hat.


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JanSOLO
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Beitrag von JanSOLO » 27. Jan 2009, 17:01

Ich finde ja, dass bei solchen Bildern zuviel rein gedichtet wird. Wenn ihr Leute.. hier im Forum nichtmal einen einfachen plausiblen kompositorischen Bildaufbau mit Linien zusammen kloppen könnt , dann konnten es die Bildbetrachter im späten Mittelalter auch nicht.

Die Bilder wurden damals erstellt, um den Bauern, der nicht lesen konnte, die Geschichte Jesus zu vermitteln. Der Bauer und der Prister waren sicherlich nicht in der Lage auf Grund von "Dreiecksbeziehungen" bei der Positionierung der Figuren einen Zusammenhang zu erkennen. Viel wichter war es damals , dass der Bildinhalt stimmte... also dass alles das zu sehen war, was man auch in der Bibel lesen konnte. Und der Künstler hatte nunmal nur die Bibel als inhaltliche Bezugsquelle... das was drin steht malte er.
Der Künstler kannte mit Sicherheit auch einige Regeln zum Bildgestalten... z.b. Primzahlen für die Anzahl.
Aber mit Sicherheit war die Konstruktion des Bildes nicht so komplex, wie einige Kunstforscher da reininterpretieren (die machen halt ihr Job ;) ) .

Und selbst wenn es so komplexe Anforderung damals gab, so müsste es immernoch Beispiele dafür gegen, wo z.B. ein einfacher künstler, der diese komplexen Regeln nicht kannte, für eine arme Gemeinde ein Altarbild malte, wo diese Regeln nicht zu beobachten sind. Und wenn dieses Bild doch berühmt geworden wäre, dann hätte sich mindests ein kunsthistoriker gefunden, der in das Bild irgendwelche Linien rein malt und sich zu den Linien was dazudichtet.
Das ganze könnte ich mit meinen Bildern auch machen ;)
Zumal es für fast jede Zahl und jeder Farbe und für viele Gegenstände eine Bedeutung gibt.

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Beitrag von artvandeley » 27. Jan 2009, 17:44

Das ganze könnte ich mit meinen Bildern auch machen
Zeig mir bitte eins.

Dein Kommentar liest sich wie ein Vermutung bzw. ein Verdacht. Was o.k. ist solange Du Dir über diese Attribute noch Platz lässt Dich und andere überraschen zu lassen.
Alles andere wäre Ignoranz.

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Duracel
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Beitrag von Duracel » 27. Jan 2009, 18:00

Tobias hat geschrieben:Ich denke, das Bild ist ein Beispiel dafür, wie Künstler früher versucht haben, Bilder zu hierarchisieren, als ihnen ausgefeiltere Mittel der Gesamtkomposition noch weitestgehend unbekannt waren. So mussten sie die Blickaufmerksamkeit noch mit etwas anderen Mitteln lenken als man es später konnte.
Das, JanSOLO, ist genauso wie obiges Zitat von Tobias
imho eine arrogant naive Fehleinschätzung gegenüber dem vermeintlich "tiefsten" Mittelalter in der Vorstellung der achso "Moderne".

Definitiv ging es den Leuten damals um andere Inhalte als z.B. hier im Forum.
Perspektive und Licht&Schatten, zwei Dinge, die wir oftmals als "realistische Grundlagen" verstehen, sind vermutlich vorallem aus einer einfachen Situation heraus scheinbbar "unbekannt" geblieben.
Das was wir als "realistische Perspektive" verstehen ist eine ganz klar "subjektive" Darstellungsweise, die von einem "individuellen Standpunkt" ausgeht. Eine impressionistische Darstellungsweise, die auf visueller Ebene "Realismus" erzeugt, indem
das Bild im "Colorblocking" durch Licht und Schatten funktioniert, ... beruht eben auf einem äußerst visuellen Standpunkt denn einem allseitigen Verständnis.

Hier z.B. sehen wir äußerst "realistisch/detailreich" dargestellte Blumen/Kräuter/Gräser/Kleintiere in Hinsicht auf "anatomischem" Verständnis. Die Zeichnungen könnten z.B. auch der Artbestimmung eines Botanikers dienen.
Daraus kann man ein gänzlich anderes Naturverständnis der Leute damals ableiten.

Entsprechend ging es auf kompositorischer Ebene den Leuten damals auch nicht unbedingt darum, wie man einen besonders "cooles/spannendes" Bild auf visueller Ebene schafft. Es wäre naiv das als Unfähigkeit zu degradieren.
In dem Moment, wo es "wichtig" wird, das alles in annähernd wissenschaftlicher Präzision zu erkennen ist drängt sich z.B. eine "Nebeneinanderplatzierung" der Objekte auf.
Eine stabile Komposition(siehe Artvandeley) verleiht dem Motiv eine wesentlich beständigere Bedeutung ... es wurde ganz bewußt keine dynamische Momentaufnahme gewählt.


Und die Bauern waren damals sicherlich nicht dümmer als heute ... d.h. noch lange nicht, dass die Bilder "nicht gut" sein müssen, ... schaut man sich heutzutage Werbung an, erkennt man schnell, wie "durchdacht" die Werke sind, gerade weil sie bei der Zielgruppe auch wie gewünscht ankommen sollen. Das war damals sicher nicht anders, nur die Botschaft war eine andere.
Ziel ist, woran kein Weg vorbeiführt.

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Beitrag von oleg » 27. Jan 2009, 18:29

Art:
Ein Raster wie du es angelegt hast erscheint sehr plausibel.
Für die nicht perfekte Symmetrie kann es viele Erklärungen geben: Eine verzerrte Fotoaufnahme ist das, was mir als erstes spontan einfällt. Der Künstler kann auch das Bild als Teil eines Dyptichons oder Tryptichons angelegt haben (bei einem Sakralbild nicht unwahrscheinlich), so daß sich das Raster auf einem anderen Bildteil genau spiegelt.

JanSOLO:
IMO unterschätzt du die mittelalterliche Kunst gewaltig. Da hängt wesentlich mehr dran als das Beeindrucken dummer Bauern.

Die Gebildeten dieser Epoche konnten in Bildern lesen wie in Büchern - so hat jede Pflanze, jeder Gegenstand, jedes Tier und jede Person eine eindeutige symbolische Entsprechung. Da gibt es nichts Zufälliges und Willkürliches. Der Künstler hat Aussagen zu treffen, welche die Herrlichkeit Gottes unterstreichen und mit dem Auftraggeber (aus dem kirchlichen/adeligen Umfeld, später auch reiche Kaufleute) abgesprochen sind.

Für den Auftraggeber ist so ein Bild die Gelegenheit, seine Sünden zu büßen, ins Paradies einzugehen und eine Verbindung zwischen der Welt und dem Himmel herzustellen. Es ist sein Vermächtnis. Und diese unendlich wichtige Aufgabe wird einem Stümper überlassen, der irgendwie etwas aus der Bibel malt?

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JanSOLO
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Beitrag von JanSOLO » 27. Jan 2009, 19:08

@Duracel

Ich gehöre nun nicht gerade zu den Leuten, die vom Mittelalter denken, dass es rückständig und primitiv war. Ich weis auch, wie modern es zum Teil schon zu ging. Weltweite Handelsbeziehungen, Banken und Börsenwesen sind ja nur paar Belege.
Aber wenn ich hier sehe, wie krampfhaft versucht wird, in die Darstellung des Bildaufbau etwas hineinzuinterpretieren, dann frage ich mich, ob ein solcher komplexer Bildaufbau damals sein Publikum gefunden hätte ?
Mir hätte im Mittelalter alleine die räumliche Trennung der Figuren gereicht, um sie in Heilige und co zu klassifizieren... aber ich hätte wohl niemals aus der geometrischen Anordnung ein Storymäßigen Zusammenhang/Bedeutung erkennen können. Die Abbildung kann man jedenfalls auch ohne dieses komplexe Hintergrundwissen entschlüsseln, wenn man sich im Christentum auskennt. Und die menschen wurden damals gut genug über die christliche Lehrer unterrichtet.
In laufe der Zeit wird bei vielen nunmal zu viel dazugedichtet, was dann zu fehleinschätzungen führt. So kennen wir alle die Vorstellung von sagenumwogenen Camelot... Dabei war das vllt. nur ein einfacher Holzbau oder ein überbleibsel eines kleinen römischen Amphietheaters.
Vielleicht mag hinter den Bild ein schlüssiger Aufbau liegen, aber solang seine Entdeckung den Menschen schwer fällt, schätz ich seine Beudeutung nicht all zu hoch ein.


@artvandeley Das ist vielleicht Blödsinn, aber du wolltest etwas sehen :P .
Hier habe ich tolle Linien finden können.
So spannt das orange Sechseck alle umkreisende Gegenstände ein... zu der Zahl 6 findet man sicherlich ne Menge Bedeutungen. Oder, warum schneiden sich alle gegenüberliegenden Eckpunkte (grün) in einen Punkt ? Oder das rote Dreieck umfasst alle Gegenstände des Vergänglichen ... Sicherlich kann man sich da auch eine Beudeutung dazureimene. Welche Bedeutungen haben die 7 roten Rosen ? Was ist mit der schwarzen Katze , die sich putzt ? Nur Dekor oder mehr ?

Ich weis schon, dass solche Anordnungen gewisse Bedeutungen haben, aber nicht immer ist zweckmäßiger und notwendiger Inhalt... oft wird mehr dazugedichtet, als der Künstler beabsichtigt hat. Und wer weis, vielleicht habe ich die Gegenstände nicht unbewusst plaziert... aber das will ich ja nicht verraten :P

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Tobias-M
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Beitrag von Tobias-M » 27. Jan 2009, 21:20

Duracel hat geschrieben:
Tobias hat geschrieben:Ich denke, das Bild ist ein Beispiel dafür, wie Künstler früher versucht haben, Bilder zu hierarchisieren, als ihnen ausgefeiltere Mittel der Gesamtkomposition noch weitestgehend unbekannt waren. So mussten sie die Blickaufmerksamkeit noch mit etwas anderen Mitteln lenken als man es später konnte.
imho eine arrogant naive Fehleinschätzung gegenüber dem vermeintlich "tiefsten" Mittelalter in der Vorstellung der achso "Moderne".
*räusper*
Klar haben wir heutzutage ausgefeiltere Mittel der Gesamtbildkomposition als die Leute im 15. Jahrhundert oder so. Nämlich alles, was *die* damals hatten *plus* alles, was seitdem entwickelt worden ist.
Aber gut, ist halt arrogant, naiv und falsch, das so einzuschätzen. Ich lass das mal so stehen, ich hab trotz fast unübersehbarer Einladung grad kein Bedürfnis danach, in meinen schriftlichen Kampfmodus zu verfallen. ;)

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Beitrag von JuliusB » 27. Jan 2009, 22:11

Eigentlich geht es doch in dem Bild nur um die (wie bei allen Kirchenbilder dieser Zeit) Symbolik , die Komposition ist da Nebensache. Kunst hatte damals halt einen komplett anderen Zweck. - Die Bibel sollte für den Analphabet lesbar sein.

Daher sollte man seine Kompositionskizze auch so aufbauen. In dem man die 5 Handlungen sieht und dann schaut wie der Maler es schafft, dass der Betrachter von einer Handlung zur anderen gelangt.

Die Komposition war doch auch bei solchen Bildern nicht so wichtig. Hauptsache es gab eine Hierarchie die dem Betrachter die biblische Geschichte vermittelte.

Wie du nun deine Skizze anlegst ist eigentlich dir überlassen, solang du mit Hilfe deiner Skizze den Bildaufbau beschreiben kannst.


Und ja ich hatte damals auch das Bild im KunstLK. Ich habe es gehasst, aber man kapiert ja immer erst mit der Zeit warum man soetwas macht.

Wir sollten z.B die Blumen, Bäume und Plfanzen bestimmen. Die Symbolik herauslesen und dann erörtern warum der Maler genau diese Pflanzen abbildete ... Schule halt.

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oleg
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Beitrag von oleg » 28. Jan 2009, 09:52

http://de.wikipedia.org/wiki/Paradiesgärtlein

(einfach den Link in die Adresszeile kopieren. Das Forum versteht keine Umlaute in Hyperlinks)

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Duracel
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Beitrag von Duracel » 28. Jan 2009, 10:37

Tobias-M hat geschrieben:Nämlich alles, was *die* damals hatten *plus* alles, was seitdem entwickelt worden ist.
Aber gut, ist halt arrogant, naiv und falsch, das so einzuschätzen.
Theoretisch natürlich, praktisch sieht das aber ganz anders aus.
Zumal du ursprünglich davon gesprochen hast, dass ihnen keine "ausgefeilteren" Mitteln zur Verfügung gestanden hätten. Das klingt geradezu so, als ob die Leute heutzutage gezielt furchtbar ausgefeilte Kompositionen erstellen würden.

JanS
Du zeigt eigentlich sehr schön, was an Komposition tatsächlich in deinem Bild drinnsteckt, du hast mehr oder weniger bewußt/unbewußt Gegenstände mehr oder weniger gleichmäßig um ein Zentrum verteilt. Das ist sicher kein Zufall.
Womit man ihmo vorsichtig sein muß ist, Linien zu konstruieren, die im Bild nicht drinnstecken. Artvandeley ist bei seinen Linien von den Umrissen der Kleider ausgegangen.
Bzw. hier sieht man kompositorisch in deinem Bild noch Potential ... hättest du das ganze an den von dir "entdeckten" Linien verstärkt.
Denn tatsächlich dominieren in deinem Bild ganz andere Strukturen; bzw. halten ganz andere Zusammenhänge das Bild zusammen. Auffällig ist z.b. die "Rahmung" der Szenerie durch die zwei großen helle Flächen der Raumöffnungen(Tür/Fenster) ... das würde man auch nicht hineininterpretieren, das "ist da".
Und in dem Paradiesbild sind eben auch einige Dinge "da".
Wogegen dein "rotes Dreieck" einfach mal nicht existiert abgesehen davon, dass man zwischen drei Punkten aus Prinzip immer ein Dreieck bilden kann.

Es ist nunmal eine der Haupttätigkeiten des Gehirns Muster zu entdecken; und bewußt oder unbewußt, das Denken eines Künstlers während des Malens ist stets auch strukturell geprägt. Man kann garnicht zusammenhanglos Denken.
Und da bei der Gestaltung von den Kirchenbildern manchen Zusammenhängen eine enorme Wichtigkeit zugesprochen wurden, sind die Bilder eben auch dadurch geprägt.
Das hat nichts mit hinein oder herausinterpretieren zu tun.
Das ist so offensichtlich wie die 12 Takte im Blues.
Ziel ist, woran kein Weg vorbeiführt.

Chinasky
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Beitrag von Chinasky » 28. Jan 2009, 11:46

Interessante Diskussion hier! :)
Ich kann nur empfehlen, Olegs Hinweis auf den Wiki-Artikel zu folgen. Denn tatsächlich kommen wir Heutigen mit unserer Auffassung von Komposition dem Geheimnis dieses Bildes kaum näher. Ohne die symbolhafte Bedeutung von Zahlen und Farben damals zu kennen, können wir die Bildkomposition nicht verstehen. Ohne ausreichendes Wissen um die inhaltlichen Bezüge können wir die Bildkomposition nicht verstehen. Denn Komposition bei einem gegenständlichen Bild heißt ja immer auch: inhaltliche Strukturierung. Wichtig in dem Artikel finde ich beispielsweise den Begriff Bedeutungsperspektive: Das, was wichtig ist, wird "einfach" größer dargestellt.
Wichtig ist weiterhin die Kenntnis der typischen Bildformen. Wer noch nie etwas vom hortus conclusus gehört hat, wer andere derartige Bilder nicht kennt - der wird nicht vergleichen können und z.B. kompositorische Abweichungen vom "Standard" überhaupt nicht bemerken. Ich frage mich z.B. (ohne es beantworten zu können), warum dieser Garten nur links und oben durch eine Mauer begrenzt ist.
Bei anderen Auffälligkeiten weiß ich nicht, ob sie eine Bedeutung haben oder nicht. So ist z.B. der Garten absolut "vollgemalt". Da herrscht der reinste horror vacui. Man beachte den (Frucht- ? ) Baum zwischen dem gefesselten Teufel/Affen und dem Jesuskind: der wird da reingequetscht, scheinbar ohne Rücksicht auf Verluste. Er darf keinesfalls das Gewand der Himmelskönigin Maria überschneiden, also endet er brav unter dessen Saum. Ist er also nur dazu da, die leere Fläche hier etwas zu füllen, wie der horror-vacui-Verdacht nahelegen würde? Oder haben wir hier vielleicht den Baum der Erkenntnis (laut Wiki ist dies ja eine Mischform zwischen hortuc conclusus und Paradie-Darstellung), der zwischen dem Teufel und Jesus, dem "zweiten Adam" steht? Vor dem Stamm dieses beschnittenen Bäumchens sehen wir einen weißen Schmetterling auf einer Blüte sitzen. Der Schmetterling war später zumindest ein Symbol für die Seele, die nach der Wiedergeburt aus der erdgebundenen verpuppten Raupe aufsteigt. Inhaltlicher Zusammenhang, oder nur aus der dekorativen Laune resultierender Zufall?
Wir Heutigen müssen unsere Vorstellung, man könne zwischen "rein Formalem" und "Inhaltlichem" trennen bei der Betrachtung einer Bildkomposition, Abstand nehmen. Sonst können wir die Komposition nicht verstehen. Wir müssen auch von unserem situativen Verständnis von Bildern Abstand nehmen. Wenn wir heute hier im Forum ein Bild malen, dann zeigt dieses Bild i.a.R. eine ganz bestimmte Situation. Das Storytelling wird dadurch sehr schwer, weil wir kein vorher und kein nachher zeigen können, sondern nur diesen einen Moment. Dadurch wird dieser Moment extrem wichtig, dieser Punkt in der Zeit. Um diesen Punkt genau zu zeigen, werden Bilder so aufgebaut, daß der Blick des Betrachters auf den "point of interest" gelenkt wird. Unsere Bilder brauchen also einen Höhepunkt, eine Klimax, eine Pointe. Weiter ist es wichtig, daß in unseren Bildern eine Story erzählt wird, die spannend, und das heißt letztlich: neu ist. Dem Betrachter soll also eine Neuigkeit berichtet werden, er soll von einer Begebenheit erfahren, die er bislang noch nicht kannte.
Ganz anders ist das Verständnis von Bildern in der mittelalterlichen Kunst. Inhaltlich ist da nichts Neues in dem Bild, ganz im Gegenteil: Es lebt davon, daß die Betrachter wissen, worum es hier geht. Der Künstler kann somit dieses Wissen der Betrachter voraussetzen: Sie kennen die einzelnen Heiligen und deren Attribute, sie kennen die biblischen Details, sie kennen die Form des "hortus conclusus"-Motivs. Sie wissen auch, wozu Bilder da sind: sie dienen als Kontemplationshilfe! Das steckt in dem Begriff Andachtsbild schon mit drin. Der Betrachter soll sich "versenken" in Gedanken über Gott, das Heilsgeschehen, das Wesen der Himmelsmutter etc.. Dazu bedarf es einer Komposition, die eben gerade nicht auf eine einzelne Pointe hinstrebt. Weswegen die Kreisanordnug (die m.M.n. als erstes ins Auge springt) der Komposition hier viel besser funktioniert: der Blick wandert im Kreis, er wird nicht fortgerissen von einer visuellen Sensation, sondern er kann ruhig und andächtig im Kreise gehen wie der Mönch in seinem Klosterkreuzgang.
Es wird hier keine Story erzählt, sondern es wird höchstens erinnert an altbekannte Stories. Genauer gesagt wird an Bedeutungen und Tugenden erinnert: der Betrachter soll nicht unterhalten werden, sondern nur unterstützt in seinem Bemühen durch Kontemplation und Meditation (lat. meditatio = zur Mitte ausrichten! die Komposition lädt dazu ein, daß der Blick um die Bildmitte herum kreist) den Weg des Heils zu gehen.

Um was es sich bei diesem Bild - entgegen hier im Thread schon geäußerten Vermutungen - übrigens definitiv nicht handelt, ist eine Illustration für "Bauern". Es wird hier keine Bibelgeschichte illustriert für Analphabeten. Das Bild richtet sich eindeutig an gebildete, wahrscheinlich höfische Kreise. Es wird ja eben gerade keine Bibelgeschichte gezeigt, es wird keine Szene aus einem Heiligenleben o.ä. gezeigt. Kein Otto-Normal-Verbraucher des Mittelalters dürfte solch ein Bild verstanden haben.
Es genügt nicht, keine Meinung zu haben. Man muß auch unfähig sein, sie auszudrücken.

JuliusB
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Beitrag von JuliusB » 28. Jan 2009, 12:05

Naja uns wurde das damals so allgemein erklärt. Aber es ging da wohl eher dann grundsätzlich um diese Symbolischen Bilder. Danke für die Richtigstellung

artvandeley
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Beitrag von artvandeley » 28. Jan 2009, 12:35

JanS, um auch mal für Dich zu sprechen stimme ich Dir natürlich vollkommen zu, dass z.T. in Bilder zuviel reininterpretiert wird. Letztendlich dürfen wir auch nicht vergessen, dass jede noch so genaue Analyse eines Bildes uns nicht das eigene Erleben substituieren oder umschreiben kann. Genau da verlässt aber (zum Glück) Kunst die allzu starre Form einer Wissenschaft und erhält ihren eigentlichen Wert in der subjektiven Erfahrbarkeit. Irgendwie ist es uns Menschen dann eigen Allgemeingültigkeit höher zu bewerten und daraus Gesetze und Regeln abzuleiten.
Bei Deinen Gedankengängen hast Du allerdings übersehen, dass es allgemeiner Konsens besonders der Gotik war dass Gott alles sieht. Also selbst wenn kein Schwein jemals mit dem Lineal das Teil vermessen würde, würde der Lohn doch im Himmel warten. Im hiesigen Kölner Dom gibt es etliche Aufbauten und Statuen die nie ein Mensch, so er nicht fliegen könnte, jemals zu Gesicht bekommt/bekäme. Trotzdem wurde alles, aber auch wirklich alles durchkomponiert und nach einem festen Maß eingerichtet.

Auf Dein Bild geh ich jetzt nicht ein. Ich denke Du weisst, dass Du da mit anderen Parametern rangegangen bist und ich wiederum weiss, dass das Ganze nicht so ganz ernst gemeint war :-)

Danke für die Ausführungen, Hank. Sehr erhellend.

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JanSOLO
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Beitrag von JanSOLO » 28. Jan 2009, 16:23

@artvandeley ... ne das brauchst du wirklich nicht.

Ich möcht mein Vorwurf noch ein wenig weiter begründen...

Der zweite Absatz des Wiki-Artikel beginnt mit folgenden Satzteil:
"Das Bild zählt zu den bedeutendsten Darstellungen des Themas Hortus conclusus..."
Die erste Frage, die sich bei mir stellt ist: Warum ist das Bild so bedeutend ? Mir bleibt als Antwort nur: weil soviel darüber geschrieben wurde. Die zweite Frage: Warum wurde soviel geschrieben. Antwort: Weil die Historika / Bildauswerter soviel Symboliken jeglicher Art gefunden haben. Les ich den Wiki-Text oder andere Texte über das Bild, finde ich viele Aussagen, die ich zustimmen kann , aber auch viele Aussagen, die zwar logisch erscheinen, aber wo ich zweifeln würde.
Vielleicht muss man zu der Bildentstehung viel einfacher Denken, als es diese Texte vorgeben. Und ich bin weiterhin überzeugt, dass der Künstler viel simplere Probleme hatte, als wie im Text beschrieben. So sieht jedenfalls meine einfachere Schlussfolgerung aus:

Da war ein Künstler, der vllt. den Auftrag bekam ein Bild über die heiligen Geschischte zu malen. Er bekam die Anweisung, dass folgende Inhalte im Bild sein müssen.
-der verschlossene Garten (war aus der Erzählung vorher schon bekannt)
-die Personen
-die Gegenstände (Altar, heilige Brunnen usw)
All diese Sachen und Personen samt ihren charakterlichen Mitbringsel und ihrer Handlungen, die in den heiligen Schriften vorgegeben waren, haben ihre Symbolik. Diese Symbolik wird ja auch in den zahlreichen Texten zu dem Bild beschrieben. Also kann das schonmal nicht die Leistung des Künstlers sein, denn die Symboliken waren bekannt.
Ein anderes Beispiel sind auch die vielen Kräuter...die man sich auch durch eine viel einfachere Schlussfolgerung erklären kann. Bildthema ist ein Garten. Im mittelalterlichen Garten gab es, wie bei uns eben, keine Rasenfläche mit Sonnenstuhl drauf, sondern der Garten bestand aus Kräuterpflanzen. Obst und Gemüße gehörte damals aufs "Feld". Der Bildautor wird es sich leicht gemacht haben und hat entsprechende Referenzen abgemalt, so dass man die Pflanzen am Ende sogar bestimmen kann. Früher wie Heute hatte jedes Kraut seine Bedeutung. Es gibt zahlreiche dicke Bücher , die beschreiben, welche Bedeutung ein Kraut hat und damit hab ich schonwieder zahlreiche Zeilen in Artikel über das Bild erschaffen, obwohl die Kräuter nur Füllelemnte und zur charakteresierung des "Garten" dienten.
Wenn die Kräuter bewusst gesetzt sind, was sollen sie uns in ihrer Reihenfolge und Anzahl sagen ? Ist das ein Geheimrezept ? Was kann ich damit zubereiten ?
Jedenfalls hat der Künstler damals erstmal seine Liste der Bildelemente fertig.
Nun stellt sich für ihn das Problem: "omg, wo soll ich das Alles auf dem Bild unterbringen ?".
Ich glaube, wenn ihr so eine Liste hättet, dann würdet ihr euch auch die Frage stellen. Das erste , was man mit so einer Liste machen würde, wäre Sortieren und Gruppieren.
Wichtige Bildelemte in die Mitte, und gewisse Personengruppen und Elemte nach der heiligen Geschichte gruppieren... wie die drei heiligen rechts. Hoppla, was stellt man fest: Ui, man hat ja garnicht soviele Möglichkeiten die Personen und Gegenstände zu platzieren.
Die bildrechte und linke Seite könnte man ja vllt. noch vertauschen, aber da man die Story ja auch zeitlich sortieren will und man ein Bild von Links nach Rechts liest, haben die Elemente auch seinen festen Platz.
Ok... Die Element sind platziert ... Zu der Größendarstellung und Darstellung allgemein muss der Künstler sich an mittelalterliche Regeln halten. Farben sind teuer und begrenzt vorrätig und diesen müssen gut verteilt werden.
Blau hat man in den Texten über das Bild als die Farbe des Göttlichen zugewiesen und Rot, als die Farbe der Liebe. Kann man so akzeptieren. Aber warum ist das heilige Buch aus dem Maria liest nicht auch blau ? Ein ganz Primitiver könnte zudem noch denken: "Die Jungfrau wird doch nicht etwa in ein Liebesbuch lesen ?"
Generell muss man mit Symboliken aufpassen, denn diese verändern sich im Laufe der Zeit auch und nicht jeder verbindet mit einer Farbe das gleiche.
Wer weis schon, wie gefährlich die Darstellung solcher Kräuter zur Zeit der Hexenverfolgung war ?
Und dass man in diesen Bild Linien Dreiecke einzeichnen kann und sie als grundlegende Bildbedeutung beschreiben kann, halte ich für reinen Zufall. Sowas kann auch ganz schnell rein zufällig passieren ... genau wie meine grünen Linien im Bild , die sich dummerweise alle in einen Punkt schneiden.
Aber warum wird dann soviel übers Bild geschrieben ?
Irgendjemand in der Vergangenheit wird angefangen haben, die Symboliken über das Bild zu analysieren... ein Weiterer wird seinen Text gelesen haben und danach gestrebt haben, mehr als sein Vorgänger in dem Bild zu erkennen. Der nächste will noch mehr im Bild erkannt haben, so dass selbst Zufälle im Bild eine Bedeutung bekommen. Und jetzt könnt ihr euch an die eigene Nase fassen, denn ihr habt in diesen thread nichts anderes gemacht ! Jeder Nachfolge-Poster , wollte im Bild eine "richtigere" Bedeutung erkennen.
Somit wird am Ende viel übers Bild geschrieben und damit wird das Bild bedeutungsvoll und man ist berechtigt im Wiki-Artikel zu schreiben: "Das Bild zählt zu den bedeutendsten Darstellungen des Themas Hortus conclusus..."

Ich sehe in dem Bild nicht soviel ruhmreiches, wie oft beschrieben, weil ich eine simplere Schlussfolgerung für mich finden kann.
Ich erkenne die Bedeutungen der dargestellten Objekte an und erkenne auch die Story ... aber diese beiden Aspekte sind von der heiligen Schrift vorgegeben oder schon davor bekannt.
Ein Paradebeispiel und gesondert bedeutend ist das Bild für mich nicht.
Die Texte über das Bild beschreiben die Sachverhalte alle sehr kompliziert, aber vielleicht sind die Sachverhalte viel einfacher.

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Beitrag von digitaldecoy » 29. Jan 2009, 10:04

@JanSOLO:

Ehrlich gesagt, bestärkt Dein Bildbeispiel in meinen Augen die kompositorischen Analysen von oleg und artvandeley. Denn im Gegensatz zu Deinem Bild, sind die Linien, die oleg und artvandeley in das "Paradiesgärtlein" eingefügt haben, nachvollziehbar. Die Linien in Deinem Bild sind willkürlich gewählt und erzeugen keinen Zusammenhang. Nimm z.B. die grünen Linien in Deinem Bild. Warum starten sie genau dort, wo sie starten? Warum startet die Linie in der Mitte der Katze und nicht in ihrem Kopf (was von der Wahrnehmung her sinnvoller wäre)? Warum endet die selbe Linie im Fuß der Kerze? Für mich sieht das alles so aus, als hättest Du die Startpunkte der Linien vor allem nach dem Aspekt gewählt, dass sie sich in der Mitte kreuzen. Und was ist an diesem Kreuzpunkt? Nichts! Man kann eben nicht beliebig Linien in ein Bild ziehen und daraus eine komplexe Bedeutung konstrukieren. Das kann man nur, wenn der Künstler dies auch vorgesehen hat. Ich will nicht sagen, dass es nicht auch Zufälle geben kann. In vielen Fällen ist mir bei meinen eigenen Bildern erst im Nachhinein aufgefallen, dass ich intuitiv eine bestimmte Komposition verfolgt habe. Aber ob die kompositorischen Entscheidungen nun bewusst oder unterbewusst stattfinden, sie finden statt. Und ihre Analyse ist wertvoll für den Künstler, denn Komposition ist ein wichtiges Instrument bei der visuellen Gestaltung.
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