Reden wir über die Zukunft...

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Reign_of_Light
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Reden wir über die Zukunft...

Beitrag von Reign_of_Light » 23. Mär 2008, 20:03

Hallo allerseits, ich bin neu hier und das ist mein erster Post :lol:,

Jetzt, wo auch ich mich schlussendlich für das Zeichnen als Karriere entschieden habe, würde ich gern mit euch Erfahrenen über die Zukunft der Digital Arts sprechen.
Ich bin weit davon entfernt ein Pessimist zu sein und mir/uns mit Zukunftssorgen den Spaß zu vermiesen, das möchte ich ganz und garnicht, doch ab und an denke ich schon darüber nach, wie das alles mit unserem technologischen und gesellschaftlichen Fortschritt (oder Rückschritt?) weitergehen könnte. Und auch, wie sich dann der Arbeitsmarkt in unserer Branche entwickeln würde.

Ich liste hier jetzt einige Visionen von mir auf, gefolgt von den jeweils dazugehörigen, mir möglich erscheinenden Schattenseiten. Ich würde mich freuen, wenn jeder, der will und dem etwas zu einem Punkt einfällt, sich diesen rauspickt und mal was dazu sagt :) .

VISION I : Ich gehe nicht sehr oft ins Kino, ganz einfach weil keins in der Nähe ist, aber als ich vor etwa einem Monat das letzte mal in einem war, sah ich mich unglaublich vielen Filmen mit computeranimierten Elementen gegenüber. Spontan sofort einfallen tun mir noch die Namen "Der goldene Compass", "I am Legend" und "Cloverfield", aber es waren noch viele mehr. Dieser Trend manifestierte sich aber auch schon längst in Filmen wie "300","King Kong" und "Herr der Ringe". - Szenenwechsel - die Videospieleindustrie: Sie besteht ja bekanntermaßen visuell zu quasi 100% aus Digital Arts. Die Popularität von Videospielen steigt und steigt, boomt geradezu, Videospiele sind mittlerweile gar ein elementarer Bestandteil der Jugendkultur und Jahrgang für Jahrgang scheint die Affinität unser Jüngsten zu Videospielen zu steigen. Wirklich komplexe virtuelle Welten wie "World of Warcraft" und all diese fernostasiatischen Online-Rollenspiele begeistern Millionen und täglich werden es mehr. Zu Südkorea hatte ich gar mal aufgeschnappt, 80% der Bevölkerung würden "spielen". Und nun - ich bin mir selber nicht ganz sicher wie dies ethisch zu bewerten ist - möchte ich darauf aufmersam machen, das sowohl die Computeranimation im Film, als auch die Videospieleindustrie und die Möglichkeiten des Internets doch ganz offensichtlich noch in den Kinderschuhen stecken. Davon ausgehend, dass sich alle drei Medien weiterhin so rasant entwickeln wie sie es jetzt tun, müssten wir uns doch in naher Zukunft der Möglichkeit gegenübersehen Schauspieler und Kulissen gänzlich digital ersetzen zu können, virtuelle Welten von realitätsnahen Umfang erschaffen und irgendwann auch mit allen Sinnen in diese eintauchen zu können. Allein angenommen die Hardware der nächsten oder übernächsten Generation würde es ermöglichen realitätsnahe Grafik darzustellen. Dann würde die Industrie Armeen an Digital Artists und kreativen Köpfen benötigen. Steht uns vielleicht ein "goldenes Zeitalter" bevor? Ihr habt doch Fantasie, malt es euch aus. Stehen die Zeichen nicht auf eine solche Entwicklung :roll: ?

mögliche Schattenseite I-1: Ich hatte hier irgendwo im Forum gelesen, dass in vielen amerikanischen Studios die Digital Artists sich bereits jetzt unglaublich spezialisieren müssten, sodass manche nur grob modellieren, andere sculpten, andere riggen, texturieren, einer kümmert sich den ganzen Tag nur um UV-Vertexes, andere wiederum animieren usw. Soweit, so irgendwie noch ertragbar. Wenn die Entwicklung jetzt aber so weitergeht und man die unglaublichen Mengen an unglaublich-detaillierten Objekten und Wesenheiten in den Studios mit Fließband-Mentalität anzugehen versucht, täte das dann nicht einen großen Verlust an Freude und Passion für uns Digital Artists bedeuten? Ich fühle mich da ein bisschen an Charly Chaplins "Moderne Zeiten" erinnert, wo zunächst sein ganzer Job darin bestand an einem Fließband stehend an jedem Werkstück die immer gleiche Schraube festzuziehen. Das empfände ich als garnicht erfüllend. Wie steht ihr dazu?

mögliche Schattenseite I-2: Thema Outsourcing. Soweit ich weiß wird bereits jetzt bei Film- und Videospielproduktionen ein sehr großer Teil der grafischen Arbeit in die Dritte Welt ausgelagert, vor allem die zeitaufreibenden Sachen wie Animation etc. Prinzipiell finde ich das ja auch sehr gut, es freut mich, dass auf diesem Weg beispielweise viele Inder, die wie wir eine grafische Passion haben, sich auch mit Digital Arts eine Existenz aufbauen können. Andererseits - ich habe gerade einen Zeitungsartikel gelesen wonach China plant die globale Animationsmacht Nr. 1 zu werden und zwecks dieses Ziels bereits jetzt jährlich 500.000 Animatoren ausbildet - wo bleiben wir da, die immerhin zur Zeit noch, ja irgendwie unseren westlichen Lebensstil finanzieren müssen? Noch funktioniert das ja alles, aber was wenn das Outsourcen auf die Spitze getrieben wird?

Vision II: Das Internet könnte sich möglicherweise dahingehend weiterentwickeln, dass es vollkommen grafisch-interaktiv wird, so wie es Flash heute schon vormacht. Vielleicht wird das Internet sogar dreidimensional? Wie auch immer, wenn wir unsere Internetverbindungsgeschwindigkeiten erst ein weiteres Mal verhundertfachen, was hält uns dann noch von dem spektakulärsten Webdesign aller Zeiten ab?

Vision III: Diese Vision betrifft eher die Digital Artists der Gegenwart. Ich habe gerade ein sehr gutes Abitur absolviert, woraufhin viele Leute in meiner Umgebung (v.a. Eltern, Lehrer, Verwandte) mich zu einer "vernünftigen" Berufs- und Studienwahl drängen wollen, ich "täte sonst mein Potential verschwenden" und "könnte ganz bitter auf die Nase fallen". Pustekuchen, denk ich da, denn spontan fallen mir viele Berufe ein, für die ich mich mit meinen zeichnerischen Ambitionen bewähren kann. Wenn ich hart an mir arbeite und gut in den "Digital" and "Analog" Arts :wink: werde, könnte ich dann nicht arbeiten in a) Film-Animation b.) Werbegrafik & - animation c.) Comics und Karikaturen d.) Grafik-Design e.) Storyboarding f.) Texturing g.) Videospiel-Animation h.) post-production i.) Visual Effects j.) Concept Art k.) Character & Environmental Design l.) Modeling für alles was drei Dimensionen umfasst m.) Technical Art-Direction & Art Direction n.) freie Kunst o.) Video-Kunst p.) Portraitieren [z.B. in der Innenstadt :D] q.) Industrie und Mode-Design r.) Layout s.) Spezialeffekte t.) Illustration u.) Webdesign w.) Zeichnen und Animieren lehren x.) weiterqualifieren für die Produktions-Etage [zum Beispiel mit weiteren Studien in “Medien Management”] y.) Rigging, Texturing z.) Spielzeug- & Brettspieldesign design etc? Klar erfordert jeder einzelne Punkt weitere, speziellere Bildung, doch wenn mir schon spontan für jeden Buchstaben des Alphabets eine grafisch-anspruchsvolle Tätigkeit einfällt, dann kann das doch nur heißen, dass in der Branche Platz genug für jeden guten Mann (und natürlich Frau :wink:) ist und dass niemand mit Fähigkeit und Initative für seine Passion am Hungertuch nagen muss. Sehe ich das richtig?

Vision IV: Unsere ganzen 2D & 3D Tools entwickeln sich ja stetig weiter und weiter und weiter. Manche Dinge werden einfacher, einige sogar viel einfacher, dafür kommen aber wiederum andere Aufgaben hinzu, welche die Arbeit nach wie vor sehr anspruchsvoll halten. Photoshop, Maya, 3DSMax, ZBrush und Konsorten werden sich wohl auch weiterhin immer weiterentwickeln, es bleibt also spannend.

Schattenseite IV-1: Doch was wenn unsere Lieblingsprogramme einst zu genial, gar spielend-einfach werden, sodass auch jeder Laie dank neuartigem Wunderpinsel, Photoshop-Fantasie-Bot und den spektakulären Gekritzel2Fotoqualität- und Gekritzel2klasse-Artwork-Filtern die tollsten Grafiken machen kann und die Profis sich plötzlich wie die Weber bei Erfindung der Webmaschine fühlen? Das mag lächerlich klingen, weil künstliche Intelligenz bis jetzt ja eines gerade nicht war: kreativ. Aber vielleicht gibt es ja ein Schema hinter der Kreativität oder zumindest eins welches die Kreativität ersetzt. Dieser Punkt beschäftigt mich dummerweise, weil mein Vater ihn ständig als Argument gegen meine Berufswahl ins Gespräch haut. Er meint Arbeiter und Kreativlinge würden bald restlos durch Roboter ersetzt, weshalb ich nur als Ingenieur in der Mitentwicklung von solchen eine Zukunft hätte. Das ist tough :lol:! Könnt ihr euch vorstellen, dass Computerprogramme den Designprozess derart vereinfach könnten, sodass wir überflüssig werden?

Soweit für was mir jetzt einfällt. Ich bin gespannt, wie ihr die Dinge seht. Seid frei zu schreiben, was ihr wollt. Meinetwegen auch etwas ganz anderes zur digitalen Zukunft, oder einfach eure eigene Meinung :) .

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Beitrag von digitaldecoy » 24. Mär 2008, 16:48

Du spannst da einen ganz schönen Bogen, zu dem man eine Menge schreiben könnte. Ich sag erst Mal "Willkommen an Board" und beschränke mich erst Mal darauf, zu Deinem letzten Punkt etwas zu schreiben.

Ob eine Maschine jemals ästhetische Entscheidungen treffen können wird, ist sicher eine interessante Frage, über die man sich sehr lebhaft streiten kann. Auf jeden Fall wird eine Maschine aber eher die Funktion eines Ingenieurs übernehmen können als die eines Art Directors. Ist also kein Argument, wenn Du mich fragst.

Und bezüglich der Abwanderung der Arbeit ins Ausland: zu jeder Maschine, die in China installiert wird, müssen die Konstruktionspläne an die chinesische Regeierung abgegeben werden. Es wird nicht mehr lange dauern, dann wird China selbst gute Maschinen herstellen können und nicht mehr vom Import deutscher Maschinenbaukunst abhängig sein. So schnell kann man gar nicht neue Automatisierungskonzepte erarbeiten, wie sie in China kopiert werden können.
Auf der anderen Seite werden noch eine lange Zeit kulturelle Barrieren die asiatische Kunst von der westlichen trennen. Natürlich kannst Du Animationen für ein Computerspiel bei einer asiatischen Firma in Auftrag geben. Aber bei 3D-Modellen wird es schon schwieriger und bei Art Direction hört es dann auf, wenn Du einen westlichen Stil erzielen willst. Die Bilderwelten in den Köpfen der Artists entstehen über das kulturelle Umfeld und man erkennt es einfach, ob jemand in Asien oder in Europa aufgewachsen ist. Man erkennt ja sogar, ob z.B. ein Computerspiel aus Russland kommt und das hat auch Auswirkungen auf die Akzeptanz am Markt. Auf der anderen Seite ist es Dir scheißegal, ob ein Yoghurtbecher aus einer deutschen oder einer chinesischen Maschine stammt, bzw. es fällt Dir nicht Mal auf. Aber lass Mal den Hamburger Tatort von einer chinesischen Filmcrew umsetzen, dann wirst Du sehen, was kulturelle Barrieren sind. :)
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Beitrag von Reign_of_Light » 24. Mär 2008, 18:05

Ja, das macht Sinn. So gesehen ist die Arbeit im Entertainmentsektor wohl mit noch am sichersten vor Outsourcing. Zumindestens alles was den Namen "Senior" in der Berufsbezeichnung trägt sollte dann also hierbleiben. Ich frage mich, ob es aber nicht vielleicht schon reichen könnte eine handvoll Game-Designer und Art-Directors nach Fernost zu schicken, sodass diese dann peinlichst auf eine westverträgliche Spieleumsetzung durch chinesische Kreativenarmeen achten? Wenn auch wohl jeder Mensch unbewusst etwas von seinem Kulturkreis in seine Arbeit einfließen lässt, so müsste aber ein chinesischer Artist doch auch in der Lage sein sich in die westlichen Stilistiken einzufuchsen, erst recht wenn er sich darauf spezialisiert, oder? So haben doch auch die Kanadier von Bioware mit "Jade Empire" ein wunderschönes Rollenspiel in durch und durch asiatischem Flair hingelegt. Vielleicht weist es noch so einige westliche Nuancen auf, ich glaube aber schon, dass ein Chinese sich ohne weiteres mit den Einwohnern des "Jadereichs" identifizieren könnte. Hm :) ..

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Beitrag von Jabo » 24. Mär 2008, 18:28

Aber lass Mal den Hamburger Tatort von einer chinesischen Filmcrew umsetzen, dann wirst Du sehen, was kulturelle Barrieren sind. :)
Wobei chinesische Krimis den deutschen sehr ähnlich sind. Naja, nicht wirklich chinesische, aber Hongkong-Produktionen mit ihren englischen Wurzeln. Im Laufe der Zeit werden sich chinesische und Hongkong-Produktionen mischen. Und da China natürlich sehr auf Kohle aus ist, wird man wohl erst mal mehr Hongkong-Kino sehen, bevor dann die Republik eigene Filme exportiert.

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Beitrag von digitaldecoy » 24. Mär 2008, 19:13

@ Reign_of_Light:

Die beiden Punkte hier kann man übrigens sehr gut verknüpfen:
Wenn die Entwicklung jetzt aber so weitergeht und man die unglaublichen Mengen an unglaublich-detaillierten Objekten und Wesenheiten in den Studios mit Fließband-Mentalität anzugehen versucht, täte das dann nicht einen großen Verlust an Freude und Passion für uns Digital Artists bedeuten?
und
Soweit ich weiß wird bereits jetzt bei Film- und Videospielproduktionen ein sehr großer Teil der grafischen Arbeit in die Dritte Welt ausgelagert, vor allem die zeitaufreibenden Sachen wie Animation etc.
Du hast vollkommen Recht, die Spieleentwicklung wird immer aufwendiger und es fällt eine ganze Menge Arbeit an, die letztendlich rein technischer Natur ist. Wenn an meinem Arbeitsplatz z.B. ein neues Modell für's Spiel entsteht, dann beschäftige ich mich ca. 1 bis 2 Tage kreativ damit, wie das Modell aussieht und 3 bis 5 Tage arbeiten wir nur daran, dass das Teil auch in einer Spieleengine dargestellt werden kann. ICH hätte nichts dagegen, wenn der rein technische Teil an ein Outsourcing-Studio abgegeben würde. Du schreibst ja oben selbst, dass Du Angst davor hast, stumpfe Arbeit machen zu müssen. Warum also nicht die stumpfe Arbeit von billigen Kräften machen lassen?

Viel wahrscheinlicher ist allerdings, dass es in Zukunft viel weniger stumpfe Arbeit in der Spieleentwicklung geben wird. Viele der Dinge, die wir heute noch von Hand machen müssen, sind mit etwas Grips auch automatisierbar. Automatische Prozesse werden vermutlich immer mehr die "Drecksarbeit" übernehmen und am Ende bleibt nur noch die kreative Arbeit und die kann dann eine Hand voll Leute vielleicht wieder stemmen. Und ja, das bedeutet dann gleichzeitig auch, dass Stellen in den gestalterischen Branchen rarer werden, aber wenn eigentlich nur Jobs wegfallen, die eh niemand machen will, sollte man sich nicht beschweren.
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Beitrag von Neox » 24. Mär 2008, 20:11

heyhey ich mach meinen Job gern auch wenn ich manchmal Stunden, wenn nicht Tagelang stupiden Stumpfsinn machen muss, aber es gehört zu meiner Arbeit, für nen Computer der mir meine Arbeit abnimmt werde ich nich bezahlt :P
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Beitrag von digitaldecoy » 25. Mär 2008, 00:08

Ach, sag bloß Du würdest gerne immer noch den halben Tag für ein UV Unwrap brauchen, wie früher? Du hättest doch auch nichts dagegen, schön in ZBrush ein Model sculpten zu können, es dort in allen Kanälen (Diffuse, Specular, Specular Power, Opacity etc.) bemalen zu können und dann nur noch auf den Knopf "Export to CryEngine" drücken zu müssen und direkt mit dem nächsten Model anfangen zu können. UVs, Retopo, Multi Texture Sets - das ist doch alles Zeug, dass nur eine Zwischenlösung sein kann. Es ist doch schon absehbar, dass man das irgendwann alles nicht mehr braucht bzw. dass es automatisch generiert werden kann. UVS sind heute schon nicht mehr notwendig, wenn man die Maps nicht nachträglich bearbeiten will (automatische UVs reichen für's Baken doch allemal) und die mittlerweile monströse Ansammlung von Texturkanälen wird irgendwann durch BRDFs abgelöst. Dann kann man sich endlich auf den Kern konzentrieren und verschwendet nicht seine Zeit mit unnötiger Arbeit.

Na ja, aber wir wollen die Euphorie Mal etwas zügeln. Wird sicher noch ein paar Jahre dauern, bis die Tools soweit sind. Aber ich denke nicht, dass man sich Sorgen machen muss, man hätte weniger zu tun, wenn man die Schweißarbeit nicht mehr selber machen muss. Wenn ein Game Model 10 Mal schneller fertiggestellt werden kann, dann wird es 10 Mal mehr Models geben. Ganz einfache Rechnung. :)
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Beitrag von Duracel » 25. Mär 2008, 12:40

Ich würde da Neox teilweise zustimmen und dir dementsprechend widersprechen wollen.

Die Tage hatte ich darüber schoneinmal nachgedacht und bin bei dem einem Gedanken hängen geblieben. Und zwar machen Dinge dann am meisten Freude, wenn man "ganz bei der Sache" ist. So hat man die meiste Freude, wird aber gleichzeitig auch sehr eingenommen und beansprucht.

Im Grunde kann man auf drei Arten bei einer Sache sein: primär geistig oder primär körperlich oder aber beides zugleich(weder noch wird schwierig ;D)

Ist man mit beidem zugleich am Werk, dann ist man konzentriert und läuft auf Hochtouren; es wird Adrenalin ausgeschüttet der ganze Körper fühlt sich "mittendrin". Tolles Gefühl, aber lange hält sowas selten an.

Bei den beiden anderen Varianten kann man die jeweils nicht so sehr benötigten Aspekt "entspannen".
D.h. wenn ich darüber brüte, wie ich meinen nächsten Artbattlegegner zu Brei verarbeite, kann ich durchaus währenddessen in der Badewanne liegen; aufjedenfall aber kann sich der Körper vom Marathonlauf der vergangenen Tage problemlos erholen lassen während ich in mein Skizzenbuch scribbel.
Umgekehrt; bin ich gerade am malochen um an Geld zu kommen, kann ich in Gedanken oftmals "abschalten" wie man so schön sagt.

Nicht selten passiert es auch, dass man statt abzuschalten vielmehr "abschweift"; das ist dann die vierte Möglichkeit; man ist gedanklich woanders als man körperlich ist; ist aber dennoch bei beidem stark beansprucht. Das sorgt für innere Spannung, teilweise kann das sogar zur Zerissenheit führen.
Es gibt einem aber auch die Möglichkeit - wenn einen die Arbeit geistig nicht ausfüllt - den Kopf trotzdem fit zu halten.


Im Endeffekt komme ich zu folgendem Schluß.
Auch hier braucht man Abwechslung!
Niemand will 8 Stunden am Tag wirklich kreativ sein müssen während der Körper erschlafft dahängt.
Ich selbst genieße bei meiner Arbeit die Phasen, in denen ich einfach nur vorgegebene Bereiche selektieren muß. Gerade wenn mein Kopf "dicht" ist, kann ich dabei vergleichsweise gut abschalten und trotzdem bin ich nicht unproduktiv. Ich muß mich währenddessen dann nicht auf der Suche nach der Lösung eines Problemes meinen ganzen Kopf durchwälzen.
Tatsächlich ist in solchen Fällen andere Arbeit noch viel besser geeignet. Ich muß alle paar Monate meinem Großvater bei diversen Tätigkeiten helfen wie "Holzsägen"(für den Holzofen) oder "Laubharken"(<-großes Grundstück; viele Bäume) und das ist beileibe keine intellektuell anspruchsvolle Tätigkeit ... aber sie fühlt sich RICHTIG GUT an!
Da bin ich keineswegs immer froh, dass uns dieses lästige Treiben heute Maschinen überall abnehmen.
In die selbe Kerbe schlägt unsere Fortbewegung. Ich wollte garnicht immer die Möglichkeit eines Autos haben. Ich schleppe meine 6x1,5lWassersixpacks noch vom Supermarkt nach Hause. Gerade wenn man den ganzen Tag vor dem PC saß tut das einfach gut.

Das ist ja auch das absurde häufig an unserer Gesellschaft ... wieviele Leute fahren mit Auto zum Fitnesstudio? Früher wären die Menschen garnicht auf die Idee gekommen zur Erholung Joggen zu gehen ... das macht man nur, weil unsere geile moderne Gesellschaft sehr einseitig belastet wird.

Also solange man kein Leben(ich sage hier bewußt nicht Arbeit) hat, das einen voll ausfüllt, dann bevorzuge ich ähnlich wie Neox auch ab und an einfach mal recht stupide Arbeit.
Ziel ist, woran kein Weg vorbeiführt.

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Beitrag von digitaldecoy » 25. Mär 2008, 13:48

Meiner Meinung nach beinhalten gängige gestalterische Prozesse bereits genug "Handarbeit", die man im Flow leisten kann. Die Dinge, über die ich oben rede sind rein technische Arbeitsschritte, die wirklich niemand jemals vermissen wird. Von Hand ein 3D Model zu unwrapen ist auch nicht vergleichbar mit Holzhacken. Natürlich ist ein körperlicher Ausgleich wichtig, aber der findet nicht durch repetetive Arbeit am Rechner statt, sondern durch körperliche Bewegung. Das ist sogar noch ein Argument für meine Sichtweise, da durch den Wegfall von repetetiver Arbeit mehr Zeit für körperlichen Ausgleich entstehen könnte.
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Beitrag von TituS » 25. Mär 2008, 14:16

zu dem punkt kann ich sagen, dass ich viele leute kenne, die wow nur aus dem grund spielen, weil es so stumpfsinnig ist. man kommt geistig erschlafft von der arbeit und kann dabei schön abschalten. sie wollen nicht großartig unterhalten oder herausgefordert werden.

ich selber unwrappe alle meine modelle immer noch vertex für vertex mit der hand trotz hightech in form von peltmapping und relax funktion. manchmal kotzt es mich an, manchmal ist es auch fast wie meditation und ich kann wieder kraft für die bevorstehende textur schöpfen. ich könnt nicht jeden tag nur eine textur nach der anderen rausrotzen; dann wäre ich viel zu schnell ausgebrannt.

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Beitrag von TituS » 25. Mär 2008, 14:18

Reign_of_Light hat geschrieben:Vision III: Diese Vision betrifft eher die Digital Artists der Gegenwart. Ich habe gerade ein sehr gutes Abitur absolviert, woraufhin viele Leute in meiner Umgebung (v.a. Eltern, Lehrer, Verwandte) mich zu einer "vernünftigen" Berufs- und Studienwahl drängen wollen, ich "täte sonst mein Potential verschwenden" und "könnte ganz bitter auf die Nase fallen".

dass andere leute für dich bestimmen, welches potential in der schlummert und was du damit machen sollst, sollte dir zu denken geben. meist sind es diejenigen, für die ein digital artist nur ein durchgeknallter künstler ist, der am hungertuch nagt und keine zukunft hat.

eine abgesicherte zukunft ist die oberste priorität in unserer konsumgesellschaft geworden. wie sonst will man sich ein dickes auto, nen großen fernseher und tolle urlaube leisten. am besten sollte man direkt von der wiege aus auch schon fürs rentenalter sparen.
es wird eine angst geschürrt, die einen schnell vergessen lässt, dass es nicht um das wunderbare leben sondern reines überleben geht.

wenn eins im leben wichtig ist, dann das zu machen, was dir dein herz sagt. lass dir nicht von anderen aufdiktieren, was gut für dich sei - deinen partner suchst du dir ja auch selber aus.

und was den technischen fortschritt anbelangt - mir egal. ich liebe das künstlerdasein, lerne mit jedem neuen tag dazu und wenn sich die ganze erde um 180 grad drehen sollte, dann werd ich mir mit freude den hintern aufreißen und mich eben anpassen, wenn es das ist, was ich machen will - solange ich morgens mit einem lächeln aufstehen kann, ist mir das mehr wert als eine abgesicherte zukunft in der man nur eine leergelutschte batterie ist.

gerade mein vater hat mir immer erzählen wollen, wie die arbeitswelt da draussen ist und was der beste weg für mich sei - der versteht bis heute nicht, dass ich auch spaß bei meiner tätigkeit empfinde. zudem sei das eh alles nur ein riesen glücksfall gewesen, dass ich so einen job bekommen habe und davon leben könne :)

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Beitrag von Reign_of_Light » 25. Mär 2008, 14:55

Duracel hat geschrieben:Ist man mit beidem zugleich am Werk, dann ist man konzentriert und läuft auf Hochtouren; es wird Adrenalin ausgeschüttet der ganze Körper fühlt sich "mittendrin". Tolles Gefühl, aber lange hält sowas selten an.
Finde ich klasse, dass du dieses Mittendrin-Sein mal ansprichst, denn meine Arbeits- und Lebensphilosophie schlägt in genau die selbe Kerbe :) . Dieses "tolle Gefühl" hält zwar von Natur aus nur selten lange an, aber es ist trainierbar. Es bedeutet nämlich nicht mehr als mit dem pausenlosen Denken aufzuhören und sich dem Jetzt, dem Moment vollkommen hinzugeben. Das ist wiederum auch das Wesen der Meditation. Ich übe fleißig daran diese vollkommene Gegenwärtigkeit in jeden Moment meines Lebens einfließen zu lassen und signifikanterweise kommen mir in solchen Momenten der "Ruhe vor abschweifenden Gedanken" auch die tollsten Einfälle.
Aber das nur am Rande, denn ja, es ist off-topic :wink: .
TituS hat geschrieben:gerade mein vater hat mir immer erzählen wollen, wie die arbeitswelt da draussen ist und was der beste weg für mich sei - der versteht bis heute nicht, dass ich auch spaß bei meiner tätigkeit empfinde. zudem sei das eh alles nur ein riesen glücksfall gewesen, dass ich so einen job bekommen habe und davon leben könne Smile
Dann ist dein Vater so wie mein Vater. Dieser möchte mich jetzt unbedingt als Offiziersanwärter bei der Bundeswehr sehen, um dort Vernunft und Realitätssinn zu entwickeln :wink:. Als ich ihm dann heute meine neusten Werke vorgelegte, gestand er mir plötzlich ein, dass diese wirklich gut wären, doch: Wer sollte mir denn Geld dafür geben? Vor allem wo es doch zehntausende am Hungertuch-nagende Künstler gibt :) ?

Hehe, ich denke unsere Eltern sind in mancherlei Hinsicht einfach noch "von gestern". Für die existieren die "neuen Medien" garnicht wirklich und wenn doch, dann sehen sie diese außerhalb ihrer Realität. Spieleentwicklungsschmieden und Filmstudios usw sind für den Otto-Normal-Verbraucher ganz einfach nicht so präsent, wie Fabriken, Banken, Versicherungen, Einkaufsmärkte usw. Das meine ich mit "außerhalb der Realität"!

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Beitrag von digitaldecoy » 25. Mär 2008, 15:20

@ TituS:

Ich kann das ja nachvollziehen. Aber wenn man aus persönlichen Vorlieben an eigentlich unnötigen Arbeitsschritten festhält, dann macht man sich natürlich wirklich anfällig gegenüber der Billigkonkurrenz, denke ich. Also, ich meine langfristig. Ein Ausgleich zur anstrengenden gestalterischen Arbeit muss eigentlich doch auch anders möglich sein.
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Beitrag von TituS » 25. Mär 2008, 17:21

da hast du natürlich recht. aus wirtschaftlicher sicht ist der billigarbeiter bei prozessen, in denen man nicht mit dem eigenen wissen punkten kann, im vorteil - keine frage.

wobei ich für das selbstständige entfalten gute gründe habe - ganz so sinnfrei ist es ja nicht. würde am ende gleiches ergebnis rauskommen, hätte ich sicherlich den kürzeren weg genommen.

aber man muss die arbeit auch in ihrer gesamtheit sehen - wäre ich ausschließlich kreativ tätig, wäre ich schneller müde, unkonzentriert, lustlos und am ende nicht mehr wertvoll für die firma.
so aber halten sich geistige und geistlose arbeit die waage, so dass ich den job länger genießen kann. wobei es sicherlich auch eine trainingssache ist - mir kommt zumindest das unwrappen oft gelegen. es ist eine schöne vorbereitung fürs texturieren. je mehr zeit ich investiere und sauberer die uvs sind, desto mehr spaß macht auch das bemalen. es ist fast wie ein ritual vor dem großen spektakel.

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Beitrag von digitaldecoy » 25. Mär 2008, 17:27

Hehe, ja Du hast nicht ganz Unrecht. Sowas in der Art ist bei mir derzeit die Retopologisierung, bevor die ganz feinen Details gesculptet werden. :) Genießen wir am besten einfach noch etwas die Zeit, wo solche handgearbeiteten Prozesse noch Sinn machen.
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Beitrag von Neox » 26. Mär 2008, 00:00

also mir als jemand der früher mal hauptsächlich gemodelt hat, gefällt retopologisieren sehr gut, mir macht das Spaß, klar wären hier und da ein paar Workflowoptimierungen ne tolle Sache aber im großen und ganzen ist das einfach entspannend, inzwischen modelliere ich fast garnicht mehr, nur noch sehr grob, Form kommt ja dann eh beim sculpten. Aber das sprticht ja alles für deine These, Retopo ist ja auch nur eine Vereinfachung bzw. Verschiebung der eher technischen Arbeit hinter die kreative Arbeit.
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