Tracen, Referenzen und sonstige Hilfsmittel.

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digitaldecoy
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Beitrag von digitaldecoy » 31. Mai 2006, 23:31

@ Falk

Du lieferst mir an zwei Punkten empfindliche Angriffsflächen, die ich einfach nicht ignorieren kann.

Erstens, war ßlmalerei ebenfalls lange Zeit verpöhnt, als nämlich die wahren Meister noch Fresken gemalt haben und der Schwierigkeitsgrad dadurch erheblich gesenkt wurde, dass man nicht mehr auf die Trocknungszeit des Putzes achten wusste und ßlgemälde außerdem ständig übermalen und korrigieren konnte. Der Vorwurf, die Kunst durch eine zu einfache Handhabung des Materials zu "verwässern" wurde dann auch den Akrylfarben gemacht. Jetzt ist halt die Malerei auf dem Computer dran. Sorry, aber historisch derart kurzsichtigen Meinungen kann ich mich nicht anschließen. Irgendwann wird man Bilder Kraft seiner Gedanken malen können (Pong spielen kann man schon nur durch Nachdenken!) und dann wird es heißen, dass echte Kunst nur mit dem Grafik-Tablet entstehen kann. Lachhaft!

Zweitens, Du spricht davon, dass Dir bei digitalen Techniken die Lebendigkeit verlorengeht. Ich sehe es genau anders herum. Wenn ich mir anschaue, welche Regeln und Arbeitsschritte man bei der Verwendung von z.B. ßlfarben einhalten muss, wie sorgfältig man mit den Farben auf der Palette umgehen und wie umständlich man Fehler ausbessern muss, dann sehe ich überall Einschränkungen und Kompromisse, die man nur auf Grund des Mediums hinnehmen muss.
Bei der digitalen Malerei jedoch sehe ich die Möglichkeit, mit dem Bild zu experimentieren, Wege zu gehen, wieder zurückzugehen, Varianten auszuprobieren, glückliche Zufälle weiterzuentwickeln, sich überraschen zu lassen - kurz: Evolution. Das hat für mich viel mehr mit Leben zu tun als darauf zu warten, dass meine Farbschicht trocken wird und ich endlich weiterarbeiten kann. Natürlich, wenn man mit einem Schieberegler einfach eine Tonwertkorrektur machen kann, dann macht sich niemand mehr die Mühe, mühevoll den Farbauftrag zu staffeln und im Voraus zu planen, damit am Ende die Kontraste richtig sitzen, aber Du machst Dir bei Deinem ßlbild auch keinen Kopf mehr darum, ob der Putz gleich kristallisiert, auf dem Du malst. Und? Wird Dein Bild dadurch schlechter?

Versteh mich nicht falsch, ich wäre sehr kurzsichtig, wenn ich nicht auch die Chancen sehen würde, die durch die Einschränkung der Mittel entstehen. Herrje, ich habe auf der Convention sogar einen Vortrag darüber gehalten, wie verhängnisvoll die grenzenlosen Möglichkeiten der digitalen Malerei sein können und das man Gefahr läuft, sich zu verirren, wenn man sich keine eigenen Grenzen setzt. Aus absoluter Freiheit wird halt auch leicht Ziellosigkeit, aber das muss nicht sein und nur weil die Gefahr besteht zu scheitern, sollte man einen Weg nicht kategorisch ausschließen

Ich halte es eben für ziemlich eindimensionel, die Kunst am Computer nur deshalb als toten Vorgang zu verunglimpfen, weil ein Computer eine Maschine ist. Das Tier, dessen Borsten am Ende Deiner Pinsel stecken, lebt auch nicht mehr, kann ich dazu nur sagen.
Zuletzt geändert von digitaldecoy am 31. Mai 2006, 23:43, insgesamt 2-mal geändert.
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Beitrag von BRANDISH » 31. Mai 2006, 23:34

ich hab auch "10 kanonen hühnern" gelesen... ;)
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Chinasky
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Beitrag von Chinasky » 31. Mai 2006, 23:42

Vulti: Gutes Mullins-Zitat.
"You have to be really advanced to trace well."
Oder, wie die alten Lateiner schon sagten: Quod licet jovi, non licet bovi.
Was der Meister (Jupiter) darf, darf der Anfänger (Ochse) noch lange nicht.

Is schon fies irgendwie, aber es stimmt: Shortcuts sind nur was für Leute, die sie eigentlich kaum noch nötig haben. :)
Es genügt nicht, keine Meinung zu haben. Man muß auch unfähig sein, sie auszudrücken.

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Beitrag von Makx » 31. Mai 2006, 23:49

Schuck: ahh, genau den meinte ich mit "10.000dpi ultra-Photorealisten" :D

Und Falk:
Für mich hängt dass vom Ergebnis ab: wenn er mit der Tonwertkorrektur dafür sorgt, dass das Bild besser aussieht, hat er sich nur viel Arbeit erspart. Der Creative Prozess beibt erhalten, denn: er muss wissen wie es gut aussieht! Erfahrenere Künstler stellen sich das häufig zu leicht vor, für einen Anfänger solche Dinge zu können.
Nimm ElChiefs Bild: er hat nur den Kopf ausgetauscht und trotzdem Fehler in Größe und Position drin. Obwohl es so einfach scheint das Bild zu verschieben und zu verkleinern bis es passt.
Aber für uns "Nicht-Profis" ist es tatsächlich nicht so leicht: Wenn man wüsste, wie es gut aussieht, könnte man es auch zeichnen.
Die Werkzeuge sind nur Abkürzungn für Profis, die sowieso schon genau wissen wo sie herauskommen wollen. Sie könnten es mit den DigitalenBrushes auch so lange übermalen bis sie da sind wo sie wollen.
Sie sparen sich nur Arbeit. Der Creative Prozess wird IMHO wenig berührt.
[Nachdem ich jetzt auf Vorschau geklickt und die anderen Posts gelesen habe, sehe ich, dass Mullins meiner Meinung ist :D )

@Chief: sollte er mitlesen: Entschuldigung: Dass sollte jetzt echt kein Flame und keine Kritik deines Bildes oder deiner Person sein! Ich hab nur das Beispiel gebraucht.

Jetzt halte ich aber auch endlich die Klappe! :)

Falk
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Beitrag von Falk » 1. Jun 2006, 00:33

Daniel, ich weiß nicht so recht wie du das jetzt mit den historischen Vorkomnissen meinst. Also inwiefern das meinen Ansichten widerspricht. Willst du mir sagen, dass Dinge die heute vielleicht noch verpönt sind, morgen anerkannt sein können? Da würde ich dir grundsätzlich nicht widersprechen. Trotzdem sagt doch allgemeine Zustimmung oder Ablehnung nicht zwingend etwas über die Qualität einer Sache aus, oder?
Ich denke die Diskussion um die digitale Malerei ist ein völlig neuer Fall, den man losgelöst von historischen Ereignissen betrachten sollte, da er nicht allzuviel mit der damaligen Diskussion um ßl- und Freskenmalerei zu tun hat, außer eben, dass darum diskutiert wird.
Oder ist mir da nur etwas entgangen, das du anders meintest?

Was die Lebendigkeit betrifft, die ich eher in der Malerei mit Pinseln und Farben als in der Computermalerei zu sehen glaube, beschränkt sich diese auf die Vorgehensweise. Ich will hier die digitale Malerei auf keinen Fall verunglimpfen. Ich dachte ich hab es klar ausgedrückt, denn gehts mir nur um die vielen automatisierten Vorgänge, die nunmal mehr oder weniger bei der digitalen Malerei Anwendung finden. Ich sehe das Unlebendige immer dann, wenn eine Maschine lediglich etwas berechnet, wenn ich nur noch etwas an die Maschine in Auftrag gebe und nicht mehr selbst ausführe.

Ein einfaches Beispiel: wenn ich einen Verlauf von oben nach unten malen möchte, dann nehme ich in Photoshop einfach das Verlaufstool und drücke auf den Knopf um meinen Verlauf "dargestellt zu bekommen" (nicht darstelle). Mit Pinsel und Farbe muss ich viel mehr meinen ganzen Körper, meinen Geist und auch Emotionen aus mir heraus über den Arm, die Hand und den Pinsel auf den Maluntergrund fließen lassen. Hier sind ganz andere Energien im Spiel, die ich als lebendig beschreiben würde, wärend die Berechnung des Verlaufs am Computer lediglich durch elektronische Impulse ausgeführt wird. Bezeichnend dafür ist wohl außerdem, dass ein manuell erstellter Verlauf niemals gleich aussehen wird, da er viel mehr lebendige Einflüsse in sich trägt, wärend ein Verlauf am Computer theoretisch vollkommen identisch verfielfältigt werden könnte, da er immer wieder kopiert, immer wieder den gleichen Vorgang tätigt.

Das ist für mich der Unterschied, der sich ja in vielen verschiedenen anderen digitalen Prozessen ähnlich beschreiben lässt. Es ist also nicht wichtig ob das Werkzeug, dass ich in Händen halte totes Tierhaar oder tote Computerplastik ist, sondern vielmehr ist der Vorgang wichtig, wie das Bild entsteht.

Ich möchte nicht sagen, dass digitale Bilder unlebendig sind. Auch hier wird mit Strichen und Farben geformt und gestaltet, was ich als sehr lebendig und genauso kreativ erachte wie das Malen mit dem Pinsel. Es finden aber eben immer mehr automatisierte, maschinelle, berechnende Vorgänge Berechtigung bei der digitalen Malerei, die meiner Meinung nach mit lebendiger Malerei, die durch reine menschliche Kraft entstanden ist, in meinen Augen nicht mehr allzuviel zu tun haben, außer, dass sie in Auftrag gegeben wurden.

Vielleicht konnte ich jetzt etwas genauer erklären, was ich meinte?


Achja, ich denke man malt auch heute schon Bilder durch die Kraft seiner Gedanken. Nur wie groß ist die gedankliche Kraft, wenn ich in Photoshop den Kontrastregler nach rechts schiebe, im Vergleich dazu, wenn ich ein kontrastreiches Bild vollständig selbständig ausarbeiten muss?

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Beitrag von maldietrich » 1. Jun 2006, 01:13

Ich hab mich nun doch überwunden auch einen Kommentar abzugeben: Prinzipiell haben Daniel, Jaymo und das Mullins-Zitat schon alles gesagt.

Mich erstaunt wie persönlich dieses Thema für viele zu sein scheint. Interessanter weise ließt es sich für mich so als wäre die kontra-abpausen-Seite die emotionalere.

Egal, meine Meinung:
Der ßbergang von Referenz zum eins-zu-eins durchpausen ist ein fließender.
Referenz beginnt meiner Meinung nach auch nicht erst beim Foto, das man sich neben dem Blatt legt, sondern schon in frühester Kindheit sobald man beginnt Dinge zu beobachten. Bewusst begann ich zum ersten mal Referenzen zu nutzen als ich das erste mal wissen wollte wie man ein Gesicht zeichnet, und ich das olle Strichmännchen von meinem Schulbank-Nachbar zu kopieren versuchte. Später guckte ich mir noch viel von anderen (besseren) Zeichnern ab, bald auch vom realen Objekt, und dann irgendwann vom Foto. Mit der Zeit habe ich ein ganz schön großes Inventar an Gegenständen Formen und Stimmungen im Kopf, so dass ich sie frei aus der Erinnerung reproduzieren kann (will heißen "aus dem Kopf zeichnen"). Manches mal geht das Abgucken aber so weit das ich die Vorlage stellen weise oder ganz abzeichne. Irgendwann einmal wollte ich eine spezielle Hand-Stellung zeichnen, die mir aber nicht gelingen wollte, also hab ich nach Vorlagen gesucht bis ich die Perfekte gefunden habe und dachte ich mir: wozu mühevoll abzeichnen, ich will es doch genauso wie es auf der Vorlage aussieht. Also pauste ich durch. Ob es jetzt eine Hand, ein Arm, oder die ganze Figur ist, ist dann auch schon Nebensache.

Kurz:
Abgesehen wie gut man das Endresultat findet (was gut ist, ist wohl kaum zu kategorisieren und daher sehr subjektiv), halte ich es für sehr kurzsichtig und etwas naiv, den Gebrauch von Referenzen, bzw das Durchpausen kategorisch abzulehnen, da ich denke - wie oben erwähnt - jeder ob er will oder nicht Referenzen benutzt - und Durchpausen wohl nur die intensivste Art der Nutzung von Referenzen darstellt.

Ich bin seit langem stillschweigender Fan von deinen Arbeiten, Jana, aber deine beschränkte Sicht zu diesem Thema enttäuscht mich.

Zu Falk kann ich mir mich nicht äußern, mir kommt es vor als leben wir in zwei sehr ungleichen Welten.

PS: An alle beteiligten: Klasse Forum! Das neue Gewand ist ganz mein Geschmack!

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Beitrag von Taros » 1. Jun 2006, 09:07

@maldietrich:
Danke, Du hast mir gerade eine Menge Text erspart. Habe Deinen Inhalten kaum etwas hinzuzufügen und sehe es 100% genauso.

Vielleicht eine Sache, die ich auch noch einmal in Erinnerung rufen möchte, auch wenn der ein oder andere das Thema oben sicher weiterführen wird:

"Dieses Ding da vor Euch, mit all seinen Anschlüssen und flachen Zusatzgeräten, auf denen man mit einem Stück Plastik herumkratzen kann, um letztlich am Bildschirm farbige Punkte zu einem mehr oder weniger ästhetischen Bild zu ordnen, dieses Ding ist letztlich nichts anderes als ein Werkzeug: Wie der Hammer des Schmieds und der Meisel des Bildhauers.
Dieses Werkzeug kann weder Bilder malen, noch Kaffee kochen. Dieses Werkzeug hilft Euch nur dabei EURE Ideen und EURE Phantasien umzusetzen, genauso wie der Bleistift, ein Pinsel oder ßlfarben. Ohne EUCH würde aber nichts geschehen.

Eure Ideen und Phantasie sind es letztlich die das Motiv bestimmen und WIE Ihr an das Ergebnis kommt, ist doch eigentlich egal. Am Ende steht Eure Aussage, die meist nichts mit den Referenzen, Umsetzungstechniken noch Werkzeugen zu tun hat. Versucht Euch wieder auf das Ergebnis zu besinnen und einfach zu genießen.

Denn: Das Wissen um die beste Technik macht noch kein gutes Bild."

Ohmmm...

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Beitrag von ErichSchreiner » 1. Jun 2006, 09:14

@maldietrich, Taros

seh ich genau so (ha, ha, noch weniger Text gebraucht :) )

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Beitrag von Falk » 1. Jun 2006, 09:22

Richtig, auch bei der Computermalerei muss man als Mensch das Bild erschaffen und benutzt erstmal einfach nur ein anderes Tool. Stimmt.

Für mich ist aber der Weg, der Entstehungsprozess mindestens genauso wichtig und überdenkenswert, wie das fertige Bild. Daher kann ich dem nicht zustimmen, dass es doch egal ist wie man zum Ergebnis kommt.

Mal ein anderes Beispiel: In der Musikindustrie wird mit Hilfe von Computern Gesang so weit verändert, bis der Ton stimmt. Inwieweit hat denn dann das Ergebnis noch etwas mit Singen zu tun, dem lebendigen Vorgang?

Oder extremes Beispiel: Einige Politiker sind einigen Personen ein echtes Dorn im Auge. Man könne ja nun losziehen und ein Attentat auf diese Politiker ausführen. Das Ergebnis eines geglückten Attentates könnte eventuell viele Menschen am Ende glücklicher stimmen. Aber der Weg dahin wäre doch auch völlig undiskutabel.

Oder?

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Beitrag von digitaldecoy » 1. Jun 2006, 09:32

@ Falk:

Ich denke, wir kommen in vielen Punkten auf einen gemeinsamen Konsens, nur eben auf völlig verschiedenen Wegen. Dein Beispiel mit dem Farbverlauf ist sehr gut geeignet, um dies zu verdeutlichen.

Wenn ich Dich richtig verstanden habe, dann ist es für Dein Empfinden wichtig, auf welchem Wege der Farbverlauf entstanden ist und Du hast eine Abneigung gegen einen automatisch angelegten Farbverlauf auf Grund der Tatsache, dass er nicht von Hand, sondern in einem automatischen Prozess erzeugt wurde. Der Prozess steht also im Zentrum Deiner Aufmerksamkeit.

Bei mir ist es so, dass ich ebenfalls keine Vorliebe für automatisch generierte Farbverläufe habe, weil sie in der Regel einfach zu steril aussehen und nicht die Störungen und Nuancen beinhalten, die man, meiner Meinung nach, für einen reichhaltigen Bildeindruck benötigt. ABER, wenn das Ziel ein perfekter Farbverlauf ist, wenn also die bewusste Entscheidung des Künstlers ist, einen ganz und gar perfekten Farbverlauf zu erzeugen, dann würde ich ihm raten, das Gradient-Tool zu benutzen, denn damit ist er schneller fertig. Ich messe nämlich dem Ergebnis den größten Wert zu und nicht der Art und Weise, wie es entstanden ist.

Wenn ich es genau betrachte, dann wird Dein persönlicher Standpunkt mir auch viel klarer, wenn ich mir Deine bisherigen Bilder anschaue. Sie strotzen nur so von extrem aufwändig gemalter Textur und Struktur. Ich frage mich schon immer, wie Du solche Motive malen kannst, weil dazu ja eine nahezu selbstverlorene, vielleicht sogar meditative Arbeitsweise gehören muss, bei der es Dir ganz egal zu sein scheint, ob Du gerade Textur in einem Gesicht, in einem Stein oder einem Baumstamm ausarbeitest. Versteh das bitte nicht negativ, so ist es nicht gemeint. Aber daraus denke ich zu erkennen, dass Du ein ganz besonderes Verhältnis zum Arbeitsprozess an sich hast, was sich ja auch in Deiner Auffassung zum aktuellen Thema widerspiegelt.

Und um meine persönliche Ansicht dazu noch Mal zusammenzufassen: mir geht es in erster Linie um das Ergebnis. Das heißt nicht, dass ich für den Entstehungsprozess unsensibel bin, denn dieser hat auf das Ergebnis eben einen ganz fundamentalen Einfluss. Automatischen Prozessen sieht man ihre mechanische Natur in den meisten Fällen an und daher schließen sie sich für mich in den meisten Fällen von selbst aus. Wenn ein automatischer Prozess im Endeffekt jedoch exakt das gleiche Ergebnis liefert, wie ein handwerklicher Prozess, dann würde ich den automatischen Prozess jedoch vorziehen, weil mir alles andere als Zeitverschwendung vorkommen würde.
Für aufwendige perspektivische Konstruktionen z.B. würde ich mittlerweile immer ein 3D-Programm einsetzen. Ich könnte die Konstruktion auch auf dem klassischen Wege zustande bringen, sehe darin aber keinen Wert mehr, so lange die Konstruktion wirklich exakt sein soll. Wenn ich eine verzerrte Perspektive oder eine Abweichung von den Regeln benötige, dann scheidet der automatische Prozess wieder aus, aber ist dies nicht der Fall, dann spare ich schlicht und einfach Zeit durch ihn.

Für mich persönlich lebt ein Bild durch das, was es darstellt und nicht durch irgendeine Form der "emotionalen Aufladung", die durch den Entstehungsprozess zustande kommt. Natürlich ringt es mir Respekt ab, wenn jemand nicht nur ein schönes Bild gemalt sondern dies außerdem auch noch unter schwierigen Umständen getan hat. Aber ganz ehrlich, wenn diese schwierigen Umstände künstlich erzeugt wurden, dann haben sie für mich nichts mehr mit dem Bild zu tun.´

Hier vielleicht noch Mal zwei abschließende Beispiele. Nehmen wir ein Bild an, auf dem ein perfekter vertikaler Farbverlauf von grün nach rot zu sehen ist. Das Bild sieht original so aus, als hätte man in Photoshop das Gradient-Tool verwendet. Nun stellt sich aber heraus, dass der Urheber des Bildes nicht etwas Photoshop zur Erzeugung dieses Farbverlaufes benutzt hat sondern ihn aus Sandkörnern gelegt hat, wobei er jedes einzelne Sandkorn vorher mit einem winzigen Pinsel von Hand angemalt hat. Ihr könnt mir glauben, dass ich vor so einer Geduldsleistung einen Heidenrespekt hätte, aber das Bild bliebe für mich trotzdem uninteressant, weil es nur einen Farbverlauf darstellt, den man in drei Sekunden auch in Photoshop hätte machen können.

Oder ein Beispiel in die andere Richtung. Ein Puppenbauer konstruiert eine wunderbare Marionette, handwerklich ein Meisterwerk in dem viel Mühe steckt. Sein Schauspiel bleibt aber hölzern und flach, es bewegt nicht emotional. Jetzt betritt irgendein Jungspund die Bühne, nimmt die Marionette und erweckt sie zum Leben, so dass man vollkommen vergisst, dass es sich nur um Holz, Stoff und Bindfäden handelt. In dem Moment respektiere ich den jungen Puppenspieler für seine Leistung. Sein Darstellungsmittel hat er zwar nicht mühsam erarbeitet aber wie er es nutzt ist einfach atemberaubend.

Klar, um Idealfall baut sich ein begnadeter Puppenspieler seine eigenen Puppen. Das sind dann Leute, bei denen ich vor Respekt beinahe vergehe, aber ich kann doch die anderen deshalb nicht verurteilen. Man kann doch die Message nicht so starr an das Medium binden.

Wenn ich den Computer benutze, um ein Bild zu malen, dann steige ich dabei auf die Schultern von Leuten, die diesen Computer erfunden und gebaut haben. Die unglaublichen Prozesse, die in seinem Inneren ablaufen, sind von Menschenhand gestaltet. So ein Computer ist eine unglaubliche Meisterleistung der Handwerkskunst. Aber auch die schönste Puppe liegt nur tot in der Ecke, wenn keiner die Fäden zieht und die Fäden zieht der Künstler. Und der tut sich sicherlich keinen Gefallen, wenn er extra Fäden kappt, um seine Aufgabe zu erschweren.
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Beitrag von Taros » 1. Jun 2006, 09:40

Mir kommen Tränen... hach, wunderbar zu lesen, Daniel. :D

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Beitrag von jaymo » 1. Jun 2006, 10:11

Teilweise erscheint es mir auch wie die Frustration derjenigen, die ewig erfolglos versucht haben fotorealistisch zu malen und zu spät geschnallt haben, dass das in der Regel mit Fotovorlagen erreicht wird. Und nun die verschwendete Zeit mit der Denunzierung von "Tracern" retten wollen. Ich zumindest kenne diese Frustration. Und ich war mal enttäuscht über die simple Realität, wie Artworks von Boris Vallejo oder Olivia etc. zustandekommen. Vielleicht ist es vielfach die Enttäuschung unseres kindlichen Staunens, was uns damals bei solchen Bildern an Wunder glauben ließ?

Ich will hier keine Lanze für's Tracen brechen. Ich finde es ebenfalls totlangweilig und halte es für meine Motive für ungeeignet. Aber verdient es grundsätzlich meine Verachtung?

Eine kreative Arbeit entsteht in der Regel doch aus einer Mischung von Gegebenem, Zufallseinflüssen und zielgerichteten Denkprozessen. Jede Arbeit dürfte Teile dieser Aspekte beinhalten. Wieviel jetzt wovon eingebracht wird, ist Entscheidung des Kreativen selbst. Die Geschmäcker und auch Trends sind da sicher verschieden. Und vielen Kunst(mach)werken sieht man ihre Entstehung auf unvorteilhafte Weise an. Wenn es aber jemand versteht, ein Bild seiner Imagination auf der Grundlage von Fotografien zu erschaffen, ohne dass es dabei an Austrahlung und Atmosphäre einbüßt, warum sollte ich etwas dagegen haben? Doch nur, wenn er behaupten würde, es wäre auf andere Art entstanden.

Das Ganze "alles muss von Hand sein und mit dem eigenen Speichel angerührt" halte ich ehrlich gesagt für romantisch verklärten Starrsinn. Allein Werkzeuge zu benutzen muss doch dann schon falsch sein, schließlich machen die Borsten es einem ja viel zu leicht. Wer nicht mit eigenem Kot seine Bilder an Höhlenwände malt, sollte nicht als wahrer Künstler bezeichnet werden!
Zuletzt geändert von jaymo am 1. Jun 2006, 11:07, insgesamt 2-mal geändert.

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Beitrag von Taros » 1. Jun 2006, 10:27

Aber nur, wenn Du die Höhle selber gemeiselt, den Berg selbst aufgefüllt und die Erde... ähm...
:)

Guter Text Jaymo.

An dieser Stelle möchte ich auch klarstellen, das ich die Enstehungswege, die zu einem Bild führen, als sehr interessant und wichtig empfinde. Das gehört einfach dazu.
Jedoch verurteile ich genauso wenig wie Daniel, oder Jaymo die Art und Weise der Schaffung. Das wäre genauso, als wenn ich jemanden verurteilen würde, nur weil er an eine andere Religion glaubt, um am Ende genauso zufrieden zu sein wie ich. Ist vielleicht etwas krass, spiegelt es aber ein wenig für mich wieder.

Ich bin trotz allem der Ansicht, das jeder seine eigene Meinung haben darf und soll. Als falsch empfinge ICH, wenn jemand versucht, sie anderen aufzudrängen. Dies soll ausdrücklich eine neutrale und allgemeine Aussage von mir sein und niemanden hier verurteilen, bitte.

So, und nun weiter im Text.

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Zuletzt geändert von Taros am 1. Jun 2006, 14:55, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von BRANDISH » 1. Jun 2006, 10:43

hmmm. es wurde öfter gesagt, beim tracen würde man nichts lernen.
ich kann das zwar nicht für fotos sagen, aber meisterzeichnungen abzupausen war durchaus eine methode sie besser zu verstehen, und sich zeichnerisches können anzueignen - und nicht nur diese nebeneinander kopien.
ich habe noch nie getraced, aber bevor ich eine referenz für ein fertiges bild im nachbarfenster 1:1 abpinsle (was ich auch nicht tu), würde ich sie sofort abpausen.
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Beitrag von jaymo » 1. Jun 2006, 10:59

Ganz klar, der Entstehungsprozess ist sehr wichtig für ein Bild. Und jede Technik hat ihre eigenen Vor- und Nachteile. Keine Technik ist im künstlerischen Sinne ersetzbar. Aber ich denke nicht, dass es legitime und illegitime Techniken gibt, wenn es um Arbeiten der Kunst geht. Auch keine mehr oder weniger legitimen.

[edit] Was ich nachvollziehen kann, ist die Annahme, das viele nicht bemerken, dass Fragmente ihrer Emotion beim Schaffen von der digitalen Technik absorbiert werden, wo sie andernfalls über einen Pinsel eventuell aufs Malmedium gebracht worden wären. Und das digitale Bild daher vielleicht etwas ärmer an emotionalem Ausdruck ausfallen mag. In diesem Aspekt wird die Technik hoffentlich weiter reifen.
Zuletzt geändert von jaymo am 1. Jun 2006, 17:10, insgesamt 2-mal geändert.

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Beitrag von Amanda » 1. Jun 2006, 11:06

Leute,

ihr verwirrt mich zunehmend.

Ich habe zuerst auch Fotos reproduziert, weil ich keine Ahnung hatte wo ich anfangen soll und das, was ich mit einem Bleistift kritzel furchtbar aussieht. Das frustriert, logisch, ist netter etwas zu machen was auch nett hinterher aussieht. Nur nach sehr kurzer Zeit langweilte mich das. Freihand kann ich aktuell nur sehr schlecht zeichnen, zu reproduzieren gefällt mir auch nicht. Komisch, selbst nach einem Overpaint habe ich nur noch wenig Lust an einem Bild weiterzumachen.

Ich möchte was Eigenes (Jodeldiplom *loool*) machen und nicht kopieren. Nur werde ich auf dem Weg dahin nicht drumrumkommen mit Referenzen zu greifen oder Mastercopies zu machen, einfach um zu lernen. Würde ich hier nur live abzeichnen wollen, was mir an Motiven zur Verfügung steht, ich hätte keinen Spaß mehr.

Also bemühe ich mich das, was ich mache, möglichst gut zu machen. Suche Referenzbilder, versuche aus Overpaints zu lernen und wenn der Abstand z.B. der Augen nach x Versuchen nicht hinhaut, lege ich mir das Original in den Hintergrund um zu überprüfen, wo ich falsch gedacht habe. Wo fängt Cheating an, wo ist es erlaubt?

Ich sehe es so, daß ein Bild nicht mehr mein Produkt ist, wenn ich mich solcher Hilfsmittel bediene, oder, wie aktuell, mich nach einem Overpaint tatsächlich richte. Das Endergebnis ist dann eben nicht Ellie, sondern Ellie plus XYZ. Was zählt ist, daß man bei sich bleibt und ehrlich sich selbst gegenüber ist. Und das ich mich für das eine Engelbild geschämt habe (altes Forum, wo Bernhard es postete), weil ich dort Fotos zusammenschnippelte und danach zeichnete, zeigt mir wo ich hin möchte. Es fühlt sich für mich besser an zu wissen, das habe ich tatsächlich selbst gemacht und nicht irgendwie hingeschnörkelt, weil ich viele Dinge noch nicht beherrsche.

Tracen sehe ich als eine Krücke an, auf die der Künstler nicht verzichten kann oder will. Nur wo ich etwas als mein alleiniges geistiges Eigentum ausgebe, wo ich nur durchgepaust habe oder mit Hilfe von OP's zum Ziel gelange und es verschweige... also ich habe da ein Problem mit und schäme mich dafür. Das wäre, als würde ich reiten lernen und mich fotografieren lassen, wo hinter dem Gaul jemand steht der den Zügel in der Hand hält.

LG,
Ellie

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Beitrag von Jana » 1. Jun 2006, 13:30

Puh, ich fühl mich grade nicht so als ob ich noch mehr zu dem Thema schreiben müsste...nur zwei Sachen:
ich bin garnicht mal davon ausgegangen das man auf realistische Illus aus ist wenn man traced
Und maldietrich: Mir ist es ziemlich egal was du jetzt von mir denkst, deswegen halte ich mich nicht zurück meine Meinung zu sagen. Ich kenne dich nicht persöhnlich also juckt es mich auch nicht.

edit:
Ahja, gogan, dein Sinneswandel mitzuerleben war schon irgednwie amüsant XD

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Beitrag von gogan » 1. Jun 2006, 15:15

Das kann ich mir fast denken. Weil sowas hab ich öfters und die Leute sind dann verwundert das ich meine Meinung so schnell ändern kann ;).
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Beitrag von TituS » 1. Jun 2006, 16:41

das liegt wohl einfach daran, dass man keine richtige meinung hat ;) - kenne ich ja von mir.
meist sind es dinge über die man noch nicht nachgedacht hat, irgendwann tauchts auf, man denkt kurz drüber nach, trifft seinen entschluss und dieser wird erst durch die meinung und argumente anderer verfestigt oder umgepolt.

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Beitrag von jaymo » 1. Jun 2006, 17:05

@TituS: Im besten Falle. Viele bleiben einfach grundsätzlich bei ihrer Meinung, egal wieviel sie drüber nachgedacht haben oder welche Argumente sie noch hören.

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Beitrag von Jana » 1. Jun 2006, 17:07

jaymo, genau da hast du recht ;)

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Beitrag von aeyol » 1. Jun 2006, 17:12

Ich denke ich kann beide Seiten verstehen. Mich hat es eben auch geärgert, wenn zum Beispiel jemand Figuren und komplette Kompositionen abgezeichnet hat - von gemalten/gezeichneten Bildern anderer (oder wirklich genial durchkomponierte Fotos) - und sie dann als eigenes Werk ausgegeben hat, wenn man ihn für die Komposition lobte (aber ich denke, solche Heuchelei und das Vortäuschen falscher Tatsachen dürfte wohl auch niemand hier gutheißen).
Eure Argumentation ist wirklich, wie soll ich sagen, erbaulich und anschaulich... jedenfalls ist mir auch klarer, dass man das Tracen wirklich differenzierter betrachten kann. Ich finde die Diskussion hier jedenfalls durchaus "fruchtbar".

(@Taros
Ja, Daniels Beitrag hat mich auch gerührt. 8) )

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Beitrag von Falk » 1. Jun 2006, 17:37

Daniel:

Ja, nach deinem letzten Text glaube ich auch, dass unsere Ansichten gar nicht sooo weit auseinanderliegen. Ich muss vielleicht auch nochmal betonen, dass mir das Endprodukt selbstverständlich ebenfalls sehr wichtig ist.

Um was es mir nur die ganze Zeit ging ist eben die Einstellung zu diesen Dingen wie Tracen/Kopieren/Automatisierungen, die jeder einzelne hat und die ja eben hier so verharmlost wird. Viele Meinungen laufen darauf hinaus, dass diese Vorgänge das Bild am Ende nicht bereichern - da sind wir glaube ich alle der gleichen Ansicht. Ich bin da wohl nur noch etwas konservativer und kann diese Herangehensweisen für mich überhaupt gar nicht vereinbaren, da sie ja eben einer "Entwertung" des Bildes entsprechen.

Die Gefahr die ich außerdem sehe ist, dass es einem immer weniger bewusst wird, was man da eigentlich tut, falls man diese ganzen Dinge, die ich hier so ein bisschen verurteile, für sich als unproblematisch erklärt. Das ist, denke ich, so ein bisschen wie zb mit dem Rauchen. Der Raucher weiß eigentlich, dass es ihm schadet, trotzdem tut ers immer wieder und das Schädliche ist ihm kaum noch bewusst. Vielleicht wird ja auch einem Maler, der immer wieder zb ein Bild durchpaust, immer weniger bewusst sein, dass er bedeutend weniger Persönlichkeit in sein Bild einarbeitet.

Im Großen und Ganzen empfinde ich also diese ganzen verharmlosenden Ansichten als Gefahr, weil sie dazu führen könnten, dass qualitativ immer minderwertigere Bilder entstehen könnten.

Um nochmal kurz auf deine zwei Beispiele einzugehen, geht es mir also wirklich absolut gar nicht darum, dass künstlich etwas erschwert wird. Klar, es ist schwerer einen Verlauf selbst zu malen, als ihn am Computer berechnen zu lassen. Aber darauf kommt es überhaupt nicht an, - es kommt darauf an, dass man ihn selbständig, aus sich heraus gemalt hat und nicht von der Maschine hat malen lassen!
Dein Beispiel mit dem Puppenspieler fand ich da sehr schön anschaulich, da es tatsächlich auch beschreibt, wie wichtig der Mensch ist, der sein Werkzeug zu benutzen wissen muss, um ihm Lebendigkeit zu verleihen. Nichts anderes sage ich ja am Ende auch. Ich habe eigentlich überhaupt gar nichts gegen digitale Bilder. Im Gegenteil gibt es da superviele, wahnsinnig gute Sachen. Ich denke nur über all das nach, was durch die Programme vorgegeben und nicht durch mich entstanden ist. Wie du schon sagst, man steigt auf die Schultern derer, die den Computer/das Programm erfunden haben, man bedient sich Elementen, die nicht vom Maler sind, sondern vom Programm geliefert werden. Und manches davon empfinde ich persönlich als grenzwertig.




Jaymo:

Hmm, ich weiß nicht genau ob du mich damit meinst, aber war mein Ziel eigentlich nie fotorealistisch malen zu können.

Im ßbrigen denke ich nicht, dass man meine Ansicht so extrem darstellen muss, wie du es da tust. Vielleicht hast du ja inzwischen auch erkannt, worauf es mir in der Unterscheidung der automatisierten und lebendigen Prozesse ankommt. Kann sein, dass ich mich bisher missverständlich ausgedrückt hatte. Um es vielleicht nochmal auf den Punkt zu bringen unterscheide ich zwischen einer malerischen Handlung, die wirklich von mir durch die Benutzung meiner Hände, meines Geistes und meiner Emotion zustande kam und allen den malerischen Prozessen, die ich nur in Auftrag an beispielsweise ein Programm gegeben habe und daher lediglich im allerersten Impuls von mir ausgeführt wurden und dann automatisch entstanden sind. Dazwischen gibts natürlich viele Zwischenstufen.
Warum ich automatisierte malerische Vorgänge für problematisch halte hab ich ja oben schon geschrieben.

Inwiefern eine Arbeitsweise in künstlerischen Prozessen legitim oder nicht legitim ist muss natürlich jeder selbst mit sich vereinbaren. Ich hatte es ja auch schon gesagt, dass ich niemandem vorschreiben möchte was er zu machen hat und was nicht. Trotzdem halte aber ich persönlich von einigen Dingen aus genannten Gründen sehr wenig. Dabei ist ja die Tatsache, dass jeder frei machen können soll was er will so ziemlich unwichtig.

MartinH.
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Beitrag von MartinH. » 1. Jun 2006, 18:54

Woher nehmt ihr eigentlich alle die Zeit solche Threadmonster in nichtmal 2 Tagen aus dem Boden zu stampfen und überhaupt das ganze Forum das momentan rasend schnell wächst im ßberblick zu behalten? Sorry fürs OT, aber das ... irritiert mich momentan ein wenig...

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Amanda
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Beitrag von Amanda » 1. Jun 2006, 19:31

Multitasking... :lol:

... und das Thema ist einfach interessant.

LG,
Ellie

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