Ich habe meine ganze Kindheit über sehr viel gezeichnet. Nicht nur im Kindergarten, wo es alle tun, sondern auch danach. Ich habe das Zeichnen benutzt, um meine Fantasie Wirklichkeit werden zu lassen und es ging mir dabei nie darum, meine Zeichnungen anderen zeigen zu können, sondern für mich waren sie ein funktionierender Ersatz für Dinge, die ich mir gewünscht habe. Ich erinnere mich sehr gut daran, wie ich Szenen aus Filmen gezeichnet habe, um sie wieder erleben zu können oder ich habe bei einem Kumpel ein cooles Computerspiel gesehen und weil ich es selbst nicht hatte, habe ich mir Screens aufgezeichnet und hatte dabei genau so viel Spaß, wie beim Computerspiel selbst. Ich glaube, eine meiner hervorstechenden Eigenschaften ist, dass ich all diese Dinge, die auf dem Papier und dem Monitor passieren, wirklich ernst nehmen kann. Da spielt eine gewisse Naivität und Weltfremdheit mit rein aber es ist der große Motor, der mich immer am Laufen gehalten hat.
Warum ich das erzähle? Weil ich, trotz dieser großen Affinität zum Zeichnen, als ich 15 war, komplett aufgehört habe zu zeichnen und mich nur für Chemie, Explosivstoffe und Spezialeffekte interessiert habe. Ich habe all meine Zeit darin investiert, Schwarzpulver zu mischen, Modelle aus Holz und Papier zu basteln (hauptsächlich Raumschiffe), diese in die Luft zu jagen und das Ganze auf Video aufzunehmen, um es mir in Slowmotion am Fernseher anzuschauen. Drei Jahre lang habe ich das gemacht, bin ein Mal mit schweren Verbrennungen im Krankanhaus gelandet und danach in eine schwere Depression verfallen, weil meine Eltern mich nicht weitermachen lassen wollten. Ich war hundertprozentig davon überzeugt, dass ich Pyrotechniker werden würde. Für mich gab es nichts anderes.
Dann habe ich bei einem Freund "Akira", den Manga von Otomo, gelesen und habe das erste Mal gesehen, dass Comics genau wie Kinofilme sein können - genau so episch, genau so komplex und spannend. Ich habe die Lust an der Pyrotechnik verloren (zur Erleichterung meiner Eltern) und habe wieder angefangen zu zeichnen. Meine ersten Comics habe ich auf dem Schulhof verkauft und die waren natürlich nicht episch wir ein Kinofilm sondern eher witzige kleine Cartoons. Sie kamen sehr gut an und von dem Zeitpunkt an habe ich viel Mühe in das Zeichnen gesteckt, weil ich irgendwann in der Lage sein wollte, große Geschichten damit zu erzählen.
Die nächste Trendwende kam, als ich meinen ersten eigenen Computer bekam und mir von einem Kumpel die ersten 3D-Programme "besorgt" habe. Auf einmal fing ich wieder an, Modelle zu basteln. Dieses Mal waren die Raumschiffe aus Polygonen, die Explosionen konnten niemanden verletzen und ich konnte meine EIGENEN FILME drehen! Ich war begeistert. Das Ganze hat letztendlich dazu geführt, dass ich am Ende ein Portfolio zusammen hatte, mit dem ich nach dem Zivildienst
gerade so ein Praktikum bei einem Spielehersteller ergattern konnte und dann habe ich zwölf Jahre lang erst Mal Computerspiele gemacht und nebenbei das Digital Painting kultiviert.
Erst seit Anfang letzten Jahres weiß ich, was ich mit all den erworbenen Skills und der Liebe zum Erzählen wirklich anfangen möchte und publiziere seitdem wieder Comics. Aber bei DER Historie wage ich es natürlich noch nicht zu behaupten, dass ich am Ende der Fahnenstange angekommen bin. Irgendwann wird mich sicher wieder irgendein neues Werkzeug oder ein anderes Medium dazu verleiten, Neue Dinge auszuprobieren. Und wenn es erst in zwanzig Jahren soweit ist.
Was ich mit diesem Schwank aus meinem Leben kommunizieren möchte ist:
Suche Dir kein Ziel in weiter Ferne! Laufe keiner Idealvorstellung davon, was Du in vielen Jahren vielleicht mal sein könntest, hinterher. Finde heraus, was Deine kreativen Bedürfnisse
heute befriedigt! Weißt Du, was Dein wahres Problem ist? Die Vorbilder, die Du Dir gesucht hast, sind zu weit weg von dem, was Du selbst leisten kannst. Du siehst all die tollen Artworks von Leuten, die das schon 10 Jahre lang machen und bist mit Deinen Anfängerwerken nicht zufrieden. Darunter leidet die Motivation und man fragt sich ständig, "wann bin ich selbst endlich soweit?" anstatt einfach zu genießen, was man tut. Es ist wirklich ganz ausschlaggebend, dass man sich Dinge sucht, die einem Spaß machen. Die sollen einen ruhig etwas fordern aber eben nicht überfordern.
Kleines Beispiel gefällig?
Letztes Jahr bin ich irgendwie aufs Häkeln gestoßen. Ich glaube, mein Einstieg war, dass ich mich gefragt hatte, wie Häkeln technisch überhaupt funktioniert. Das habe ich dann recherchiert und um das Wissen zu festigen, habe ich selbst ein bißchen angefangen zu häkeln. Nachdem ich erkannt hatte, dass man beim Häkeln einfach Reihen von Maschen an andere Reihen ansetzen kann und dabei völlig frei ist, wo man diese Reihen ansetzt, habe ich angefangen "abstrakt" zu häkeln. Weil ich mich in dem Moment auch für Pflanzenformen interessierte, hat sich das dann langsam in die Richtung entwickelt. Herausgekommen ist dabei eine kleine Sammlung von pflanzenartigen "Zotteln", die jetzt in meinem Arbeitszimmer hängt:
Was ich damit illustrieren will ist, dass man seine Zeit nicht immer in das Offensichtlichste investieren muss, das einem zu einem vermeintlichen Ziel führt. Du musst nicht zeichnen, um ein besseres Verständnis von Formen zu bekommen. Das kann man z.B. auch durchs Häkeln. Wenn Du erfahren willst, was für krasse Sachen man mit Häkeln leisten kann, dann gib einfach mal "Crochetting" in die Google Bildersuche ein. Du wirst Augen machen, das verspreche ich Dir!
Es gibt viele Formen der Kreativität, man muss sie nur zulassen. Man muss der Inspiration die Tür öffnen und manchmal muss man dazu erstmal einen Haufen Selbstzweifel und falscher Erwartungen zur Seite räumen. Denn Du kannst heute überhaupt nicht wissen, welcher Weg Dich am Ende zur kreativen Erfüllung führen wird. Vielleicht ist Concept Artist gar nicht der Traumberuf, für den Du ihn hälst? Ich persönlich habe ihn 10 Jahre lang gemacht und gerade dankbar an den Nagel gehängt.
Wonach Du wirklich Ausschau halten musst ist, was Dir Spaß macht. Dafür musst Du einen Sensor entwickeln und über die Zeit wird sich bei allen Aktivitäten ein gemeinsamer Nenner herauskristallisieren. Sobald Du den gefunden hast, kannst Du Deinen Weg daraufhin optimieren. Bei mir ist es z.B. so, dass ich mit meinen ersten Kinderzeichnungen, meinen Comics in der Schule, meinen Spezialeffektvideos, meinen 3D-Animationen, meinen Fantasy-Illustrationen, meinen Häkeleien und all den tausend anderen Dingen, die ich schon ausprobiert habe, einfach nur das Eine erreichen wollte - fantastische, imaginäre Welten zum Leben erwecken. Weil mir diese etwas bedeuten, weil ich an sie glaube. Das ist meine Schwäche und gleichzeitig meine Stärke.
Wenn Du in DICH hineinhorchst, findest Du vielleicht etwas ganz anderes. Vielleicht merkst Du, dass Du z.B. gerne Leute verzauberst. Mit Bildern kann man das erreichen aber wenn der Kern Deiner Motivation das Verzaubern von Leuten sein sollte, dann kannst Du das vielleicht auch anders erreichen. Mit Musik z.B. (weil Du das Piano erwähnt hast) oder mit Tanz (oder mit Häkeln!). Mach Dich auf die Suche nach dem Kern Deiner Motivation und wenn Du den gefunden hast, wird sie Dir nie wieder ausgehen!